Kritiker bezeichnet Klimalabel als «ideologischen Blödsinn»
Die Klimajugend will Politiker mit einem Label auszeichnen – sofern sie ihre Forderungen unterschreiben. Das geht FDP-Ständerat Ruedi Noser zu weit.

Ein Label der Klimajugend – damit dürften sich im Wahljahr 2019 zahlreiche Kandidaten für National- oder Ständerat gerne schmücken wollen. Erhalten werden sie es, wenn sie eine Charta unterschreiben, die eine Plenarversammlung der Klimajugend am Wochenende in Bern beschlossen hat, wie der Verbund CH Media berichtet.
Noch ist aber unklar, ob ein Bekenntnis zur Ausrufung des Klimanotstands, zur Klimaneutralität bis 2030 und zur Klimagerechtigkeit (so Punkte 1 bis 3 des Entwurfs) ausreicht – oder ob die Forderung nach einem «Systemwandel» (Punkt 4) es in die fertige Charta schafft. Im Detail ausgearbeitet wird diese nach Auskunft von Sven Würgler vom Medienteam der Klimajugend in den kommenden Wochen.
Einen Systemwandel fordern die Jugendlichen im Entwurf für den Fall, dass die ersten drei Forderungen «in unserem aktuellen System nicht erfüllt werden können». Das aktuelle System biete zu viele Anreize für die Zerstörung der Umwelt, aber kaum welche gegen sie. Wie radikal manche der jugendlichen Aktivisten einen Systemwechsel herbeiführen möchten, zeigt ein Blick auf die Internetkanäle, über die die Jugendlichen kommunizieren. Genannt werden etwa «die Verstaatlichung von Konzernen, die Abschaffung des Flugverkehrs, Sozialismus und Kommunismus».
Bei potenziellen Unterzeichnern der Charta stösst die Forderung nach einem Systemwechseln nur bedingt auf Zustimmung. «Wem es ernst ist mit dem Klimaschutz, der verzichtet auf ideologischen Blödsinn», sagt der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser und fügt an, dass eine Welt ohne Flugreisen unrealistisch sei. Für den Mitinitiant der Gletscherinitiative ist heute schon klar, dass er sich nicht für den Erhalt des Labels bewerben wird.
Noch abwarten will Stefan Müller-Altermatt. Wenn Ideologie an die Stelle begründeter Sachziele trete, werde er nicht hinter der Charta der Klimajugend stehen können, sagt der Solothurner CVP-Nationalrat. Was hingegen die sachlichen Ziele anbelange, seien diese nicht weit von seiner Grundhaltung entfernt.
Intern umstritten
Für Nationalrätin Regula Rytz (Grüne, BE) sind grundlegende Änderungen tatsächlich wünschenswert – so brauche es etwa neue Rahmenbedingungen für den Finanzplatz, um den «Raubbau an den natürlichen Ressourcen» zu stoppen. Sie betont aber: «All das kann im Rahmen des heutigen Politik- und Rechtssystems beschlossen werden.» Ein Systemwandel müsse für die Grünen immer auf der Basis von Demokratie, Rechtsstaat und unveräusserlicher Menschenrechte stehen, sagt Rytz und fügt an, sie gehe davon aus, dass dies auch die meisten Klimajugendlichen so sähen.
Tatsächlich ist noch ungewiss, wie radikal die Charta der Klimajugend ausfallen wird. Es sei im Moment noch Gegenstand intensiver Diskussionen, ob der vierte Punkt in die Charta aufgenommen werde, sagt Sven Würgler vom Medienteam der Klimajugend. Es herrsche auch noch kein Konsens darüber, was genau unter dem Begriff des heutigen Systems zu verstehen ist.
Ein Angehöriger der Klimajugend, Jann Kessler, sagt, es gehe «nicht nur um ein einziges System, sondern um ganz viele Systeme – Ernährungs-, Mobilitäts-, Wohn- und Produktionssysteme», die nicht mit den Forderungen der Klimajugend vereinbar seien – und alle diese gelte es zu verändern.
Erstellt: 29.07.2019, 21:45 Uhr
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