«Lokführer werden allein gelassen»
Experten und Politiker fordern mehr Investition in die Sicherheit bei den SBB. Der Präsident des Lokomotivführerverbands sieht das Problem darin, dass die «gesamte Verantwortung» auf den Lokführern laste.
Der Unfall in Granges-près-Marnand hat unter Politikern, Experten und Verantwortlichen der Bahn eine Diskussion um die Sicherheit in Gang gesetzt.
In einem Interview mit der heutigen «NZZ am Sonntag» spricht sich BAV-Direktor Peter Füglistaler dafür aus, dass die Ausrüstung des Bahnnetzes mit zusätzlichen Zugsicherungen rascher als bisher geplant vorangetrieben werden soll. «Wir prüfen, ob wir den technologischen Wandel zeitlich etwas zurückstellen und dafür mehr Mittel in die Sicherheit investieren können», sagt Füglistaler. SBB-Chef Andreas Meyer kündigt zudem an, die Signale schneller modernisieren zu wollen.
Externe Untersuchung gefordert
Kurz nach dem Unfall meinte Füglistaler jedoch gegenüber der NZZ, er könne bei den Schweizer Bahnen noch «kein Sicherheitsproblem» orten. Diese Aussage verärgerte einige Parlamentarier. «Diese Aussage erstaunt mich», sagt beispielsweise SP-Nationalrätin und VCS-Präsidentin Evi Allemann (BE) in der «Schweiz am Sonntag». «Ganz offensichtlich haben wir Nachholbedarf beim Zugsicherungssystem.» Hier müssten nun die nötigen Massnahmen «so rasch wie möglich und ohne Zögern» umgesetzt werden.
Noch weiter geht CVP-Nationalrat Fabio Regazzi (TI). «Zweifel sind beim Thema Sicherheit gerechtfertigt», sagt er. Schon im März habe er via Postulat ein externes Audit zur Erhöhung der Sicherheit des Eisenbahnnetzes angeregt. Der Bundesrat lehnte jedoch ab. «Ich bin nicht zufrieden», sagt Regazzi zur «Schweiz am Sonntag». Die Realität zeige, dass «etwas nicht stimmt».
Für ihn ist klar, dass «die Schutzmassnahmen erhöht werden müssen». Deshalb fordert er erneut eine externe Untersuchung. «Man sollte den Mut und die Demut haben, sich durch externe Experten beurteilen zu lassen», sagt er. «Geht es um die Sicherheit, muss man alles unternehmen, um die Risiken zu minimieren. Diese externe Untersuchung sollte das Thema Sicherheit umfassend angehen, auch in Bezug auf die Mitarbeiter der SBB.»
«Lokführer allein gelassen»
Der Präsident des Lokomotivführerverbands (VSLF) sieht das Sicherheitsproblem darin, dass heute die «gesamte Verantwortung» auf den Lokführern laste. Die Bahn habe im Regionalverkehr vom 4-Augen-Prinzip auf das 2-Augen-Prinzip umgestellt, ohne die Sicherheitstechnik anzupassen.
Früher hätten Kondukteure oder Bahnhofvorstände den Befehl zur Abfahrt gegeben. Heute sei der Lokführer bei 70 Prozent aller Züge auf den S-Bahn- und Regionalstrecken allein. «Das rächt sich mit solch tragischen Unfällen», sagte VSLF-Präsident Hubert Giger im Interview mit der «Zentralschweiz am Sonntag» (Artikel online nicht verfügbar).
Zudem kritisiert Giger die «recht chaotische» Umstellung auf das Zugbeeinflussungssystem ZUB. Die SBB hätten systematisch Strecken überprüfen und mit dem ZUB ausrüsten müssen, bevor sie Kondukteure und Bahnvorstände abschaffen. «Dann wäre die Sicherheit um einiges grösser.»
ETCS-2 «zu komplex»
Zwar sei das neue Signalisationssystem ETCS-1 sicher der richtige Weg. Aber es dauere zu lange, bis dieses flächendeckend installiert sei. Die Vollversion ETCS-2 hingegen sei wohl nur für Hochgeschwindigkeitszüge das Richtige. «Für klassische Strecken sind wir skeptisch.»
Dieses System werde inklusive Folgekosten Milliarden verschlingen, die Sicherheit aber nicht merklich erhöhen, sagte Giger weiter. Zudem sei das ETCS-2 «zu komplex» und tauge nicht für den Normalbetrieb.
«Lokführer sind Menschen, und Menschen machen Fehler. Deshalb muss man sie mit der geeigneten Technik unterstützen.»
Bahnfachmann Walter von Andrian forderte bereits vor einigen Tagen in einem Interview mit dem TA, dass SBB und Bund mehr Geld in die Installation kompletter Zugbeeinflussungssysteme investieren, um das Schweizer Streckennetz flächendeckend damit auszurüsten. Diese Systeme lösen eine Zwangsbremsung aus, wenn der Lokführer unerlaubt abfährt oder vor einem Signal nicht genügend bremst.
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