Die Staatsschutzakten, die Max Frisch nicht sehen durfte
Der Schriftsteller hat nie erfahren, wie er von der Schweizer Polizei abgehört und beschattet wurde – obwohl er Gesuche stellte. Nun macht der TA die Akten publik.
Einen «potenziellen Landesverräter» habe man in ihm gesehen; einen «Staatsfeind», den man «demontieren» wollte: Deutlich waren die Worte, als posthum Max Frischs letztes Werk erschien – eine Auseinandersetzung mit seiner Fiche, die im Nachgang zur Affäre um die sogenannten Staatsschutzfichen zugänglich geworden war. Insgesamt umfasst Frischs Fiche dreizehn Karteikarten. Auf ihnen hatte die Bundesanwaltschaft während mehr als vier Jahrzehnten Informationen gesammelt – über seine Reisen, seine Telefongespräche, seine politischen Engagements. Frisch begann die Kopie seiner Fiche auseinanderzuschneiden und die einzelnen Einträge mit der Schreibmaschine zu kommentieren. Daraus entstand sein letztes Werk: ein bissiger Kommentar, mit dem der damals 79-Jährige die Deutungshoheit über sein Leben zurückerobern wollte. Zugleich verlangte Frisch über seinen Anwalt vollständige Einsicht, waren doch zahlreiche Einträge mit schwarzen Balken abgedeckt. Aus staats- und persönlichkeitsrechtlichen Gründen, wie es heisst. Tatsächlich kam eine zweite Fichenkopie mit weniger Schwärzungen in Zürich an. Aber da war Max Frisch bereits tot.