«Messerschleifer sind nur noch wenige»
Anders als oft angenommen, sind fahrende Roma in der Schweiz nicht nur auf Durchreise. Viele verfügten über feste Kunden, sagt Angela Mattli von der Gesellschaft für bedrohte Völker.
Wie drastisch ist der Mangel an Standplätzen für ausländische Fahrende?
Der Mangel ist eklatant. Wir gehen davon aus, dass von März bis September durchschnittlich 500 bis 800 Wohnwagen in der Schweiz unterwegs sind. Im Juli und August sind es sogar 1200 bis 1500. Die vier offiziellen Transitplätze verfügen insgesamt aber nur über 110 Stellplätze. Der Bedarf ist also bei weitem nicht gedeckt.
Wo stellen die restlichen Fahrenden ihre Wohnwagen auf?
Ein kleiner Teil kommt auf Durchgangsplätzen unter. Diese stehen mehrheitlich aber nur Schweizer Fahrenden offen, für die auch zu wenig Stellplätze vorhanden sind. Die meisten ausländischen Fahrenden weichen deshalb auf den sogenannten Spontanhalt aus. Das heisst, sie einigen sich mit Gemeinden oder Privaten selber über einen Standplatz und die dafür geltenden Bedingungen.
Welche Probleme bringt dies mit sich?
In der Regel führen die Spontanhalte nicht zu grösseren Problemen. Wie wir herausgefunden haben, kommt die Mehrheit der ausländischen Fahrenden seit Jahrzehnten in die Schweiz und kennt die Gepflogenheiten. Es fehlt aber immer wieder an geeigneten Standplätzen. Nicht zuletzt fordern deshalb auch Polizisten, die mit den Fahrenden zu tun haben, zusätzliche fix eingerichtete Plätze. Kommt es an einem Ort zu Problemen, können sie den Fahrenden meist schlicht keine Alternativen anbieten.
Sie haben untersucht, wozu fahrende Roma aus dem Ausland in die Schweiz kommen und wie lange sie hier bleiben. Was haben Sie herausgefunden?
Die weitverbreitete Annahme, dass viele ausländische Fahrende nur auf Durchreise in der Schweiz Halt machen, lässt sich nicht bestätigen. Viele verfügen über einen festen Kundenstamm in der Schweiz und verbringen der Arbeit wegen zwei oder drei Monate in der Schweiz.
In welchen Berufen arbeiten die ausländischen Fahrenden?
Es sind sehr heterogene Arbeitsfelder. Kesselflicker oder Messerschleifer sind nur noch wenige. Viele führen Maler-, Garten- oder Bauarbeiten aus; es gibt aber auch Programmierer und Webdesigner.
«Sie kommen schon lange in die Schweiz und haben auch das Recht, sich hier aufzuhalten.»
Das Problem der fehlenden Standplätze ist nicht neu. Wieso konnte es noch nicht gelöst werden?
Den ausländischen Fahrenden wird oft mit Misstrauen begegnet. Viele von ihnen kommen zwar schon lange immer wieder in die Schweiz, pflegen aber ausserhalb der Arbeit in der Regel wenig Kontakt zur lokalen Bevölkerung. Umso mehr wird das Bild von den Fahrenden durch Medienberichte über einzelne negative Vorfälle geprägt. Ein neuer Standplatz lässt sich deshalb nur einrichten, wenn erst sehr viel Vertrauen geschaffen wird.
Misstrauen wäre Ihrer Ansicht nach also nicht angebracht?
Es kommt manchmal zu Problemen wie Littering, aggressivem Hausieren oder der Verrichtung der Notdurft im Freien. Dabei handelt es sich aber um Alltagsprobleme, die lösbar sind – was übrigens auch die Einschätzung der Polizei ist. Was fehlt, ist Wissen über die Roma und die anderen ausländischen Fahrenden. Sie kommen schon lange in die Schweiz und haben auch das Recht, sich hier aufzuhalten.
Sie haben dieses Jahr ein Pilotprojekt mit Mediatoren durchgeführt. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Sehr gute. Wir haben im Frühling das Gespräch mit vielen zuständigen kantonalen Polizeistellen gesucht und auch die Fachstellen für Raumplanung informiert. Über eine Hotline konnten die Behörden während der Reisesaison einen unserer Mediatoren anfordern, der anschliessend vor Ort vermittelte. Gerade auch von der Polizei wurde dies sehr geschätzt. Wir würden das Projekt gerne fortführen, doch ist die Finanzierung noch nicht gesichert.
Wie viele neue Plätze für Fahrende braucht es kurzfristig?
Wir brauchen rasch mindestens zehn neue grosse Plätze für Fahrende. Diese sollten allen Fahrenden zur Verfügung stehen, die sich an die Regeln halten, und nicht nur Schweizern oder Ausländern. Daneben ist uns aber wichtig, dass auch Spontanhalte weiterhin möglich bleiben und von Behörden wie Privaten unterstützt werden.
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