Nebel über Würenlingen
Stimmt die Geschichte um den Deal mit der PLO? Die Arbeitsgruppe des Bundesrats muss diese Frage lösen.
Es ist, was das junge Jahr 2016 angeht, die bisher aufregendste schweizerische Enthüllung: NZZ-Reporter Marcel Gyr hat in einem Buch ein geheimes Stillhalteabkommen zwischen der Schweiz und militanten Palästinensern publik gemacht. Er präsentiert keinen Beweis, aber Indizien dafür, dass der damalige Schweizer Aussenminister Pierre Graber Anfang der 70er-Jahre im Alleingang etwas Ungeheures wagte: einen Pakt mit palästinensischen Terroristen, um unser Land vor weiteren Terroranschlägen zu bewahren. Im Gegenzug, so die These, half die Schweiz der PLO, in Genf bei der UNO salonfähig zu werden. Eine zweite angebliche Konzession: Straffreiheit für jenen Palästinenser, der mutmasslich eine Swissair-Maschine bei Würenlingen zum Absturz gebracht hatte. 47 Passagiere und Besatzungsmitglieder waren 1970 beim Bombenattentat über dem Aargau umgekommen. Im grössten Schweizer Mordfall der Neuzeit kam es, trotz guter Beweislage gegen den Hauptverdächtigen, nie zu einer Anklage.
Auch diese Kritiker haben gute Argumente. Ob sie reichen, um die Indizienkette, die für das klandestine Abkommen spricht, zu sprengen, muss sich zeigen. Jene Indizienkette ist allerdings nicht allzu dicht, was aber auch in der Natur der Sache liegt, bei einem angeblich per Handschlag geschlossenen Top-secret-Deal, der erst noch 45 Jahre zurückliegt. Umso wichtiger ist es nun, möglichst alle Zeitzeugen zu konsultieren. Die Arbeitsgruppe, die der Bundesrat eingesetzt hat, darf sich keinesfalls aufs Aktenstudium beschränken. Sie hat die letzte Chance, den Nebel über Würenlingen zu lichten.