Zum Veloland braucht die Schweiz noch einiges
Wer die nationalen Velorouten benutzt, merkt, wie lückenhaft das Radwegnetz ist – das zeigt auch die Unfallstatistik.

Der Veloartikel wird den Radfahrern in der Schweiz nicht von heute auf morgen paradiesische Verhältnisse bescheren wie in Holland und Dänemark. Dafür fehlt der neuen Verfassungsbestimmung die Verbindlichkeit. Doch ein Ja zum Veloartikel ist die Aufforderung an Kantone und Gemeinden, mehr in Radwege zu investieren. Zu verbessern gibt es vieles.
Dazu genügt ein Blick in die Unfallstatistik: Seit dem Jahr 2000 hat die Zahl der verletzten oder getöteten Velofahrer in der Schweiz um 27 Prozent zugenommen, während die Zahl der Verkehrsopfer unter den Autofahrern um 34 Prozent zurückging. Zwar ist der Anstieg zum Teil auf den Boom der E-Bikes zurückzuführen, die manche zu Rasern auf zwei Rädern machen.
Doch mit einer Entflechtung des Verkehrs, mit klar abgetrennten und genug breiten Radwegen, kann das Velofahren für alle sicherer werden. Davon profitieren auch Auto- und Lastwagenfahrer, weil es im Verkehrsalltag zu weniger Konflikten und gefährlichen Situationen kommt. Deshalb unterstützt sogar der Touring-Club Schweiz den Veloartikel. Das Velo ist im Nahverkehr das sinnvollste, günstigste und ökologischste Verkehrsmittel. In Holland fährt ein Drittel der Bevölkerung regelmässig Velo, in Dänemark ein Viertel. In der Schweiz sind es nur 7 bis 8 Prozent. Das E-Bike hat nun auch hierzulande einen neuen Boom ausgelöst, weil die Tretunterstützung das Umsteigen von vier auf zwei Räder attraktiv macht. Aber damit sich die Schweiz als Veloland bezeichnen kann, braucht es Investitionen.
Gefährliche Spurwechsel
Wer eine der nationalen Velorouten benutzt, merkt, dass das schweizerische Radwegnetz lückenhaft ist. Immer wieder führen Routen entlang viel befahrener Strassen. Innerorts sind Velofahrer zu gefährlichen Spurwechseln gezwungen, während links und rechts Autos und Lastwagen an ihnen vorbeibrausen. Es reicht nicht, wenn auf der Abbiegespur mit gelber Farbe ein Velostreifen markiert wird, den die Autofahrer bei Bedarf ignorieren können. Velofahrer müssen an neuralgischen Stellen durch eigene Lichtsignalanlagen und baulich abgetrennte Radwege geschützt werden, wie das in Amsterdam oder Kopenhagen seit Jahrzehnten zum Standard gehört. Zu oft kommt in der Schweiz der Einwand, in engen Innenstädten sei es eben nicht möglich, abgetrennte Radwege einzurichten. Das mag in manchen Fällen stimmen. Aber häufig ist es eine Ausrede, weil es am Willen fehlt.
Video: Gegenvorschlag zur Velo-Initiative erfolgreich
Es ist zu hoffen, dass die subsidiäre Bundeskompetenz etwas auslöst. Als Vorbild dient der Artikel zu den Fuss- und Wanderwegen, der seit 1979 in der Verfassung steht. Dieser wird nun um das Velo ergänzt. Zu Recht rühmt sich die Schweiz heute ihres Wanderwegnetzes, das 6000 Kilometer lang ist. Wenn immer künftig Strassen saniert oder geplant werden, sollte auch an die Velofahrenden gedacht werden.
Das richtige Signal
Libertäre und rechte Politiker nehmen die Unverbindlichkeit des Veloartikels zum Anlass, ihn als nutzlos zu bezeichnen und abzulehnen. Einige andere warnen davor, dass die Kann-Formulierung schleichend zum Bundesdiktat uminterpretiert werde. Dabei war es ein Zugeständnis an die Rechte und die Föderalisten, dass die zwingende Formulierung der Velo-Initiative durch eine Kann-Formulierung im direkten Gegenvorschlag ersetzt wurde. Falls es am 23. September zu einem Nein käme, würden die gleichen Politiker dies als Signal interpretieren, wonach das Volk gar keine besseren Velowege wünscht. Nur schon deshalb braucht es ein Ja.
Erstellt: 15.09.2018, 12:09 Uhr
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