Russlands Nr. 3 redet im Bundeshaus
Eigentlich darf die russische Spitzenpolitikerin Walentina Matwijenko nicht in den Schengen-Raum einreisen. Die Schweiz erteilt ihr aber eine Sonderbewilligung.

Als «mächtigste Russin seit Katharina der Grossen» wird sie apostrophiert. Und 2014 zählte die Vertraute von Wladimir Putin zu den ersten russischen Politikern, die auf den Sanktionslisten der EU und der USA landeten. Dort steht ihr Name zwei Jahre nach der Annexion der Krim immer noch. Als Präsidentin des Föderationsrats, dem russischen Oberhaus, ist Walentina Matwijenko nominell die Nummer 3 in Russland. Als Zielperson der Sanktionen sind ihr auch die Ein- und die Durchreise durch die EU untersagt. Obwohl die Schweiz die EU-Sanktionen nicht übernommen hat, gelten die Einreisesperren wegen des Schengen-Abkommens prinzipiell auch für sie. Trotzdem wird die 67-jährige jetzt offiziell im Bundeshaus empfangen.
Am nächsten Donnerstag und Freitag nimmt sie dort an einem Treffen aller Senatspräsidenten Europas teil. In diesem Rahmen will Matwijenko am Rednerpult des Nationalratssaals auch selber das Wort ergreifen. Zudem wird sie bilateral den Ständeratspräsidenten Raphaël Comte (FDP, NE) treffen. Auch Aussenminister Didier Burkhalter werde Matwijenko zu einem «Höflichkeitsbesuch» empfangen, teilt das Aussendepartement (EDA) auf Anfrage mit. Das EDA ist auch zuständig für die ausserordentliche Einreisebewilligung, die Matwijenko für ihre Reise nach Bern benötigt. Solche Sonderbewilligungen sind im Schengen-Recht unter anderem aus «Gründen des nationalen Interesses» möglich.
Kritik vom Verein Schweiz–Ukraine
Obwohl sich die Schweiz den EU-Sanktionen nicht angeschlossen hat, hat der Bundesrat Massnahmen erlassen, die verhindern sollen, dass die Russen die Sanktionen via Schweiz umgehen. Im Anhang der entsprechenden Bundesratsverordnung figuriert auch Walentina Matwijenko. Dort ist auch begründet, warum sie auf der EU-Sanktionsliste steht: «Am 1. März 2014 unterstützte sie öffentlich die Entsendung von russischen Truppen in die Ukraine.»
Der Verein Schweiz–Ukraine kritisiert darum das Einreisevisum für Matwijenko. «Während Putins Russland in der Ukraine und in Syrien Krieg führt und Tausende von Menschen tötet, rollt die offizielle Schweiz dieser russischen ‹Kriegerin›, welche zum inneren Kreis von Putins Machtzirkel gehört, den roten Teppich aus», hält der Verein fest. Ständeratspräsident Comte hingegen sagt, es entspreche der Schweizer Neutralität, mit allen Ländern Kontakte zu pflegen – so könne man mit ihnen auch darüber sprechen, wo man mit ihnen nicht einverstanden sei, sagt Comte.
Schweiz sucht Nähe zu Russland
Der Besuch Matwijenkos ist der ranghöchste russische Besuch in Bern seit der Annexion der Krim. Noch vor zwei Jahren schien der Schweiz so viel politische Nähe nicht opportun: Im August 2014 sagte das Schweizer Parlament einen Besuch des Präsidenten des russischen Unterhauses kurzfristig ab.
In Genf trafen sich am Rande von internationalen Treffen seither aber mehrmals Spitzenvertreter des schweizerischen und des russischen Parlaments. So konnte Matwijenko bereits im Herbst 2015 mit einem Schweizer Visum zur Internationalen Parlamentarischen Union (IPU) in Genf reisen. Dort traf sie auch den damaligen Ständeratspräsidenten Claude Hêche (SP). Auch für Sightseeing fand die russische Nummer 3 damals Zeit: Neben dem offiziellen Teil in Genf machte sie eine überraschende Stippvisite auf dem Schloss Gruyères.
Erstellt: 13.10.2016, 21:58 Uhr
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