Sagt, warum es die SRG braucht
Die SRG und ihre Freunde argumentieren abgehoben. Das muss sich dringend ändern.
Seit neustem dürfen sich die SRG-Mitarbeiter auf Social Media frei über ihre Arbeit und ihr Unternehmen äussern. Bisher mussten sie die Vorgesetzten fragen. Wie bitte? Ein Maulkorb für Mitarbeitende eines öffentlich-rechtlichen Medienbetriebs, der für Transparenz und Meinungspluralismus steht? Nicht einmal private Verlagshäuser würden sich getrauen, ihren Angestellten solch rigorose Schranken zu setzen.
Das ist nur ein Beispiel dafür, wie strategisch falsch die SRG-Führung in den letzten Jahren gewirkt hat. Mit zu viel Macht- und Expansionswille, zu viel Lobbying, Imagearbeit, Kontaktpflege nach Bundesbern. Da war zu wenig Dienstleistungswille, zu wenig Gespür für das Machbare und langfristig Tragbare.
Nicht nur die SRG-Chefs haben Fehler gemacht. Noch schuldiger am entfesselten SRG-Bashing sind Bundesrat und Parlament, die nie daran interessiert waren, das Wachstum der SRG zu kanalisieren. Sie hätten es nicht zwingend bremsen müssen, aber darüber reden: Ist es richtig, dass die Einnahmen in kurzer Zeit um 250 Millionen Franken steigen, obwohl doch der Auftrag derselbe ist?
Publizistische Verarmung
Inzwischen sind neue Leute an der Spitze der SRG. Sie sind bodenständiger, näher bei den Leuten, sowohl der neue Präsident Jean-Michel Cina als auch Generaldirektor Gilles Marchand. Doch das Problem ist: Die Fehler der Vorgängerschaft können sie in der kurzen Zeit nicht ausbügeln. Es bleiben noch vier Monate bis zur Abstimmung über eine Initiative, welche die schweizerische Ordnung in ihren Grundfesten erschüttern kann. Ein Ja zu No Billag und damit ein Nein zur SRG wäre zuerst einmal eine Verarmung der Medienlandschaft. Private würden versuchen, die Lücke zu füllen, das würde ihnen teilweise gelingen, teilweise nicht.
Die SRG wurde nicht geschaffen, um das Land zu unterhalten und mit Billag-Kontrolleuren zu ärgern. Parlament und Volk haben vor Jahrzehnten beschlossen, dass die audiovisuelle Massenkommunikation systemrelevant sei, dass Radio und Fernsehen die Meinungsbildung stärker beeinflussten als andere Medien. Dass man deshalb in der Schweiz ein nationales Radio und Fernsehen schaffen müsse, das auch die Bewohner im hintersten Tal mit Informationen versorgt.
Was bringt es mir?
Inzwischen hat sich vieles verändert. Auch private Anbieter dürfen Radio und Fernsehen machen. Die Zeitungen haben sich mehrheitlich von den Parteien emanzipiert. Hinzugekommen ist das Internet, das klassische Werbung absaugt und den Informationsmarkt liberalisiert hat. Man weiss heute fast automatisch, was läuft in der Welt, selbst im hintersten Tal.
Dennoch ist der Gedanke, der dem Verfassungsartikel zugrunde liegt, noch immer gültig: Alle Bewohner der Schweiz sollen ein hochwertiges, audiovisuelles Informationsangebot haben. Vieles, was die SRG heute macht, könnte sie den Privaten überlassen. Aber gerade ihr Kernauftrag, zu informieren und zu bilden in allen Landessprachen – das würde kein Privater leisten.
Mittlerweile wimmelt es von SRG-Kritikern. Die No-Billag-Initiative sei salonfähig geworden, schrieb der «Tages-Anzeiger» kürzlich und nannte vier Typen von SRG-Kritikern, deren Engagement in der Summe eine Dynamik mit ungünstigem Ausgang für die SRG bekommen könnte. Allerdings: Viele interessiert das alles gar nicht. Die meisten wägen ab – was kostet es, was bringt es mir?
Die Initiativgegner dürfen nun nicht akademisch vom «Angriff auf die Solidargemeinschaft» reden, über den nationalen Zusammenhalt philosophieren. Sie dürfen ihren Gegnern nicht pauschal unterstellen, diese wollten die Schweiz zerstören – was nämlich nicht stimmt. Diesen Fehler hat das Establishment schon einmal gemacht: 2014 bei der Masseneinwanderungsinitiative. Alle Parteien ausser der SVP und alle relevanten Gremien schrieben gegen die Initiative an, allerdings abgehoben und an der Bevölkerung vorbei.
Sich gegenseitig für das beste Argument auf die Schulter zu klopfen und davon auszugehen, dass alle, die noch bei Trost sind, die Initiative ablehnen werden, bringt nichts. Die Initiativgegner müssen die Stimmberechtigten ernst nehmen und ihnen klipp und klar sagen, warum es die SRG weiterhin braucht.
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