Sie fordern mehr Anerkennung für ihren Beruf
«Haben Sie kurz Zeit?», fragt Esther Maria Brütsch die Passanten, die am Stand in Bern vorbeigehen. Weil sie den Moment für ein neues Modell für längst gekommen halten, stehen die Psychotherapeutin und ihre Berufskolleginnen derzeit an Wochenenden auf der Strasse und sammeln Unterschriften. Zu viel Zeit sei mit der Suche nach einer neuen Regelung vergangen, nun wollen sie mit der Petition Druck machen. Viele Passanten bleiben in der Kälte stehen und lassen sich von den Psychotherapeutinnen die Sachlage erklären.
Esther Maria Brütsch ist als Fachpsychologin für Psychotherapie selbstständig tätig. Sie begleitet und behandelt zum Beispiel Patienten mit Depressionen oder nach einem Trauma. Haben diese keine entsprechende Zusatzversicherung, müssen sie die Behandlung selber bezahlen. Eine Therapiesitzung im Raum Bern kann 150 Franken oder mehr kosten, «das können nicht alle aufbringen», sagt Brütsch. Wer auf die Grundversicherung angewiesen ist, sucht deshalb die Praxis einer Psychiaterin oder eines Psychiaters auf, wo es oft längere Wartezeiten gibt.
Auf der Strasse stossen Brütsch und ihre Kolleginnen einerseits auf Verständnis und andererseits auf den Einwand: «Dann steigen die Krankenkassenprämien noch mehr.» Die Psychotherapeutinnen kennen diesen Einwand, doch Brütsch erwidert: «Mit einem besseren Zugang zur Therapie lassen sich auch Kosten vermeiden.» Sie verweist darauf, dass Patienten dank rascher Behandlung schneller zurück im Arbeitsprozess sind oder gar nicht aus diesem herausfallen. Ausserdem werde mit der Petition kein gänzlich freier Zugang zur Grundversicherung gefordert, sondern ein Anordnungsmodell, wie man es schon von der Physiotherapie her kenne.
Beim Stand des Verbands der Berner Psychologen und Psychologinnen stellen die Passanten auch viele Fragen – etwa: «Müsste man nicht viel früher ansetzen, damit psychische Krankheiten gar nicht erst entstehen?» Esther Maria Brütsch widerspricht nicht. Doch aktuell gehe es um einen niederschwelligen Zugang zur Behandlung, «weil Wartefristen den Zustand der Patienten sowie der Angehörigen verschlechtern können».
Nicht nur in Bern, sondern in mehreren Schweizer Städten gehen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten auf die Strasse. Noch bis Ende Februar sammeln sie Unterschriften. Mit der Aufnahme in die Grundversicherung geht es ihnen, die nach dem Studium eine eidgenössisch anerkannte Weiterbildung absolviert haben, auch um die Anerkennung ihres Berufsstandes; das heutige Delegationssystem bezeichnen sie als unwürdig.
Brigitte Walser
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