Das ist das Leben eines Rentners aus dem Mittelstand
Arnold T. ist 62-jährig, verdiente 8800 Franken und wurde nun arbeitslos. Jetzt hat er die Rechnung gemacht.

Die Altersrenten der ersten und der zweiten Säule sollen die Fortführung «der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise» ermöglichen. So steht es in der Bundesverfassung. Arnold T. (Name der Redaktion bekannt) wird am 1. Februar 2019 seine erste AHV-Rente erhalten. Da der 62-Jährige seit Anfang dieses Jahres arbeitslos ist, muss er sich bereits jetzt auf ein Leben auf dem künftigen Rentenniveau einstellen. Sein aktuelles Einkommen entspricht etwa jenem, das er und seine Ehefrau später als AHV-Rentner erhalten werden. Arnold T. bekommt zurzeit von der Arbeitslosenversicherung 70 Prozent seines letzten Lohnes von 8800 Franken. Davon bezahlt er monatlich 1300 Franken Pensionskassenbeiträge, um trotz seines Jobverlusts das Rentenniveau der zweiten Säule zu erhalten.
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Mittleres Renteneinkommen
Seine Gattin wird drei Jahre nach ihm das AHV-Alter erreichen, weshalb das Ehepaar von der AHV während dreier Jahre vorerst nur eine Einzelrente erhalten wird. Insgesamt wird das Renteneinkommen des Ehepaars nach heutigen Berechnungen zunächst 4510 Franken betragen: 2350 Franken AHV und 2160 Franken von der Pensionskasse. Faktisch lebt das Ehepaar während dreier Jahre von einer Einzelrente des Ehemannes.
T. erreicht mit AHV und zweiter Säule etwa ziemlich genau das Medianeinkommen eines AHV-Rentners in der Schweiz. 2022, wenn auch die Ehefrau das Rentenalter erreicht, wird aus der Einzelrente der AHV eine Ehepaarrente von etwas über 3500 Franken monatlich. Eine Pensionskassenrente hat die Frau nicht. Mit 5700 Franken muss sich das Ehepaar, das in einer Zürcher Agglomerationsgemeinde wohnt, das gemeinsame Rentnerleben einrichten.
An seiner künftigen Rente würde auch eine neue Stelle nicht mehr viel ändern.
T. schätzt seine Situation realistisch ein. Ob er als 62-Jähriger nochmals eine feste Stelle finde, sei fraglich. Er gibt zwar die Hoffnung nicht auf und schreibt bis zu 15 Bewerbungen pro Monat. Er würde gern wieder arbeiten, an seinem künftigen Einkommen als Rentner würde eine neue Stelle jedoch nicht mehr viel ändern. Allenfalls könnte die Rente aus der zweiten Säule noch um 100 bis 200 Franken höher ausfallen.
Damit T. im Falle anhaltender Arbeitslosigkeit überhaupt eine Pensionskassenrente erhält, musste er das Kapital der zweiten Säule der Auffangeinrichtung BVG überweisen. Sonst hätte er mit 65 das Kapital ausbezahlt bekommen und müsste als Rentner die rund 500'000 Franken sukzessive aufbrauchen. Nun hat er zumindest auf dem obligatorischen Teil seines Alterskapitals (380'000 Franken) eine Rente auf sicher. Den Rest wird er ausbezahlt erhalten.
Er stimmt für «AHV plus»
Klar ist für Arnold T., dass er und seine Frau sich einschränken müssen. Zwar ist das Paar mit dem zu erwartenden Renteneinkommen von 5700 Franken von Altersarmut weit entfernt. Sie erreichen das aus dem Verfassungsgrundsatz abgeleitete Leistungsziel von 60 Prozent des letzten Lohnes. Unter dem Strich werden die beiden als Rentner rund 3000 Franken pro Monat weniger haben als bisher. Ferienreisen würden in Zukunft sicher bescheidener ausfallen, sagt Arnold T. «Aber man hat wohl auch nicht mehr ein so grosses Kompensationsbedürfnis, wie wenn man arbeitet», sagt T. Ein GA will er sich dennoch gönnen, wenn er 65 ist.
Die Krankenkasse für sich und seine Frau sowie die Wohnung kosten monatlich 2700 Franken. Dazu kommen Steuern und das Auto, auf welches das Paar nicht verzichten will. Unter dem Strich wird den beiden als Rentner rund 2000 Franken für Essen, Kleider, Telefon, Versicherungen bleiben. Damit lasse sich leben, sagt T. Dennoch wird er am 25. September für die zehnprozentige Erhöhung der AHV-Renten stimmen, wie dies die Initiative der Gewerkschaften fordert. T findet dies gerechtfertigt, da die Renten seit Jahren praktisch stagnierten. «Die Rente ist doch auch ein Lohn für die lebenslange Arbeitsleistung.»
(Tages-Anzeiger)
Erstellt: 08.09.2016, 22:41 Uhr
Das Problem zweite Säule
Tiefer Umwandlungssatz
Das Beispiel von Arnold T. zeigt exemplarisch, wie sich der sinkende Umwandlungssatz bei überobligatorischen Pensionskassenleistungen auswirkt. Bleibt T. bis 65 Jahre arbeitslos, erhält er nur aus dem obligatorischen Teil seines Alterskapitals von 381'000 Franken eine Rente ausbezahlt. Diese wird mit dem heute geltenden gesetzlichen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent berechnet. Das ergibt eine monatliche Rente von 2160 Franken.
Hätte T. bis zur Pensionierung bei seinem bisherigen Arbeitgeber arbeiten können, wäre zwar sein gesamtes Alterskapital von 500'000 Franken zur Rentenberechnung verwendet worden. Aber gleichzeitig wäre ein wesentlich tieferer Umwandlungssatz von 5,7 Prozent zur Anwendung gekommen, was eine Rente von 2375 Franken ergäbe. Obwohl T. also rund 30 Prozent mehr Alterskapital zur Verfügung hätte, das zur Rentenberechnung beigezogen würde, fiele seine Rente nur 10 Prozent höher aus. Das liegt daran, dass sich die Pensionskassen im Überobligatorium nicht an den gesetzlichen Umwandlungssatz halten müssen, solange die Rentenleistung den gesetzlichen Vorgaben entspricht. (br)
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