Sommaruga sorgt sich um verschleppte Asylgesuche
Tausende Asylanträge von Irakern blieben auf Schweizer Botschaften über Jahre liegen. Die Justizministerin lässt diese Versäumnisse jetzt von einer externen Stelle untersuchen.

Zwischen 7000 und 10'000 Asylgesuche von Irakern sind vom Bundesamt für Migration jahrelang nicht behandelt worden. Justizministerin Simonetta Sommaruga hat deshalb eine externe Untersuchung eingeleitet. Die Anträge wurden zwischen 2006 und 2008 in den Schweizer Botschaften in Syrien und Ägypten eingereicht.
Sommaruga hat den Bundesrat darüber informiert. Vor den Medien in Bern schilderte sie die Vorgänge wie folgt: Ende 2006 hätten in Syrien Hunderte von Irakern Asylanträge gestellt - meist schriftlich, in rudimentärer Form, und oft hätten sie mehrere Personen gleichzeitig betroffen.
Gesuche wurden nicht bearbeitet
Das Bundesamt für Migration (BFM) habe die Schweizer Botschaft jedoch angewiesen, diese Gesuche weder zu bearbeiten noch ans BFM weiterzuleiten. Grund dafür: Der regionale Direktor des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR habe signalisiert, dass die Flüchtlinge in Lagern aufgenommen würden.
Im Frühjahr 2008 sei die Anweisung, die Asylgesuche nicht zu bearbeiten, erneuert worden. Als der inzwischen entlassene BFM-Direktor Alard du Bois-Reymond sein Amt 2010 antrat, ist er laut Sommaruga darüber informiert worden. Er habe Zweifel an der Rechtmässigkeit der Weisung geäussert, und das BFM habe begonnen, die Gesuche abzuarbeiten.
Du Bois-Reymond informierte Sommaruga nicht
Brisant an den Vorgängen: Wie die Justizministerin vor den Medien sagte, hat sie Ende Mai 2011 «von einer Drittperson ausserhalb der Bundesverwaltung» davon erfahren. Und nicht etwa von Amtsdirektor du Bois-Reymond. Die Frage, ob beziehungsweise wie seine Kündigung mit den Fällen zusammenhängt, wollte sie nicht beantworten.
Die externe Untersuchung soll unter anderem zeigen, ob der BFM- Direktor seine Informationspflichten der Bundesrätin gegenüber verletzt hat.
Bisher ist laut Sommaruga rund die Hälfte der Gesuche bearbeitet worden - keines wurde bewilligt. Sommaruga hat die Abarbeitung am 4. Juli gestoppt. Die Untersuchung soll ebenfalls zeigen, wie die restlichen Anträge rechtskonform bearbeitet werden können.
Was wussten Blocher und Widmer-Schlumpf?
Zur Zeit der Vorkommnisse waren Sommarugas Vorgänger im Amt: Alt-Bundesrat Christoph Blocher und später die heutige Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. BFM-Direktor von 2005 bis Juni 2009 war Eduard Gnesa. Widmer-Schlumpf hat ihn zum Sonderbotschafter für Migrationszusammenarbeit ernannt, was ihr den Vorwurf der «Wegbeförderung» eintrug.
Justizministerin Sommaruga hat nun am (gestrigen) Dienstag Widmer- Schlumpf sowie Aussenministerin Micheline Calmy-Rey informiert, am Mittwoch dann Christoph Blocher. Gemäss ihren derzeitigen Erkenntnissen hatten alle drei «keine Kenntnis» von den Vorgängen.
Michel Féraud untersucht
Ihr seien keine ähnlich gelagerten Fälle aus anderen Schweizer Botschaften bekannt, sagte die SP-Bundesrätin. Sie wisse nur von Irakern in Syrien und Ägypten. Die betroffenen Gesuchsteller seien jedoch nicht zu Schaden gekommen. Es gebe – dank des UNHCR – keine Anhaltspunkte dafür, dass sie verantwortungslos ihrem Schicksal überlassen worden seien.
Nachdem Sommaruga im Frühsommer eine interne Abklärung in Auftrag gegeben hatte, soll nun eine externe Untersuchung die offenen Fragen restlos klären. Sie soll unter anderem aufzeigen, ob Recht verletzt wurde und welche Lehren zu ziehen sind. Disziplinarische Massnahme gegenüber den Verantwortlichen stünden «nicht im Zentrum der Aufarbeitung», sagte Sommaruga.
Der Bericht soll bis Ende Jahr vorliegen. Mit der Untersuchung beauftragt wurde der ehemalige Bundesrichter Michel Féraud. Die Möglichkeit, auf Schweizer Botschaften im Ausland Asylgesuche zu stellen, soll im Rahmen der Asylgesetzrevision abgeschafft werden. Die Schweiz ist das einzige Land in Europa, das solche Gesuche überhaupt zulässt.
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