«Wir sitzen auf dem hohen Ross»
Die Schweiz täusche sich, wenn sie glaube, sie müsse nicht mit anderen Ländern zusammenarbeiten, sagt Schriftsteller Peter von Matt in einem Interview. Er spricht von einem «Wahn, wenn nicht einem Wahnsinn».

Der Schriftsteller und Intellektuelle Peter von Matt kritisiert in einem Interview die «Entweder-oder»-Haltung, die in der Schweiz immer mehr Gewicht bekomme. «Wir haben fast nur noch polternde Parolen oder politische Schlagwörter, die mehr Knallpetarden sind als Produkte der konzentrierten Auseinandersetzung mit der Weltlage», sagt er gegenüber der «Schweiz am Sonntag».
Von Matt diagnostiziert der Schweiz einen «Wahn, wenn nicht einen Wahnsinn». Viele sässen auf dem hohen Ross. «Ich höre überall die Meinung: Uns kann nichts passieren, wenn wir nur mit allen andern Ländern nichts zu tun haben. Wir sind die Besten, uns geht's am besten, wir brauchen niemanden. Neue Terroranschläge in Europa sind nur eine Frage der Zeit. Neue Krankheiten ebenfalls. Uns kann nichts passieren? Wir brauchen niemanden?», fragt von Matt rhetorisch.
9. Februar als «Symptom», nicht als Wendepunkt
Zum Volks-Ja zur Masseneinwanderungsinitiative sagt von Matt: «Diese Abstimmung ist ein Symptom, kein Wendepunkt. Ja und Nein waren zahlenmässig praktisch gleich. Wir haben jetzt einen Sack voll Probleme, um die wir grossen Lärm machen können, um dabei zu vergessen, worüber wir eigentlich nachdenken sollten. Kann uns wirklich nichts passieren? Brauchen wir wirklich niemanden?» Die Abstimmung habe diese Sorgen zugedeckt, indem sie erklärte, es gebe für die Schweiz nur eine Sorge: die Einwanderung. Das sei der Täuschungseffekt dieses 9. Februar. «Er verdeckt die komplizierte Wirklichkeit unserer weltpolitischen Situation. Er verhindert die Überlegungen, die wir uns eigentlich machen müssten. Das Gleiche geschieht mit ‹Europa›, ‹Europa› als Schlagwort, nicht als geografische, wirtschaftliche, kulturelle und politische Wirklichkeit.»
Er spricht auch über die Folgen des Mauerfalls für das Selbstverständnis unseres Landes und erklärt, was heutige Autoren von ihren Vorgängern unterscheidet. Früher habe die Öffentlichkeit hören wollen, was Frisch, Dürrenmatt, Hugo Loetscher oder Peter Bichsel zu sagen hatten. «Heute wartet niemand auf das Wort von Bärfuss, obwohl er trotzig daran festhält, sich politisch zu äussern. Aber viele unserer heutigen Autorinnen und Autoren sind politisch wacher, expertenhafter, als es beim oberflächlichen Lesen scheint.»
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