Schweizer Buchpreis: Die Favoritin heisst Sibylle Berg
Ihre literarische Wutbombe «GRM» ist für den Schweizer Buchpreis nominiert. In Deutschland gehen die Schweizer leer aus.

Es gab immer Jahrgänge, da konnte man bei der Bekanntgabe der Shortlist auf den Sieger wetten. Das war so letztes Jahr, als Peter Stamm den Schweizer Buchpreis – endlich – gewann, das war so 2017 mit Jonas Lüscher. In diesem Jahr müsste man sich schon sehr wundern, wenn es am 10. November nicht heisst: Der mit 30'000 Franken dotierte Schweizer Buchpreis, die wichtigste literarische Auszeichnung des Landes, geht an Sibylle Berg.
Man muss «GRM» nicht mögen, ihren 640 Seiten starken Wutschrei gegen die Welt, so wie sie eingerichtet ist und wie sie vor die Hunde geht. Aber dass das Buch an Wucht, an Ernsthaftigkeit, auch an Kunstanstrengung die Mitbewerber deutlich hinter sich lässt, ist schwer zu bestreiten. Erfreulich und erstaunlich, dass die literarische Schweiz einen solchen Backstein überhaupt hervorgebracht hat; seit Hermann Burger fehlt es an Temperamentsbolzen, die auch mal jedes Mass verlieren.

Auch neben – oder wenn man will: hinter – Sibylle Berg hat die Jury (Daniel Graf, Monika Steiner, Manfred Papst, Christine Richard, Susanne Sturzenegger) gut gewählt. Simone Lapperts zweiter Roman «Der Sprung», eine multiperspektivische Kleinstadt-Studie, wurde hier schon ausführlich gelobt, ebenso «Die Nachkommenden» von Ivna Zic, eine Liebes-, Verlust- und Reisegeschichte mit Migrationshintergrund.
Alain Claude Sulzer, einziger Mann in der Fünferrunde, hat mit «Unhaltbare Zustände» in sorgfältiger, fast altmeisterlicher Prosa das Porträt eines Schaufensterdekorateurs verfasst, der aus der Zeit fällt. Der fünfte Titel ist Tabea Steiners «Balg», ein Roman über die Überforderung eines jungen Paars durch das Landleben mit Kind.



Der Schweizer Literatur-Jahrgang 2019 ist reich genug, dass man sogar Titel vermisst, wie etwa Demian Lienhards starkes Debüt «Ich bin die, vor der mich meine Mutter immer gewarnt hat». Aber eine krasse Fehlentscheidung wie die, im vergangenen Jahr Thomas Hürlimann nicht zu nominieren, ist der Jury diesmal nicht unterlaufen.
Deutscher Buchpreis: Shortlist ohne Schweizer
Gar keine Rolle spielt die Schweiz im Rennen um den Deutschen Buchpreis. Zeitgleich mit den Schweizer Finalisten wurde die Shortlist für die mit 37'500 Euro dotierte Auszeichnung verkündet. Der einzige Schweizer, der es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft hatte, ist aus dem Rennen: Tom Zürcher mit «Mobbing Dick».
Die Shortlist bietet mit gleich drei Debüts einige Überraschungen. Von Raphaela Edelbauer («Das flüssige Land»), Miku Sophie Kühmel («Kintsugi») und Tonio Schachinger («Nicht wie ihr») haben auch Kenner noch nie etwas gehört. Mit den Jahrgängen 1990 bis 1992 melden die literarischen Twens ihre Ansprüche an.
Der bekannteste Name auf der Liste ist Saša Stanisic; sein autobiografischer Roman «Herkunft» ist schon im Frühjahr erschienen und wurde viel gelobt. Vorarbeiten und Reflexionen dazu hatte Stanisic im November 2017 in seinen drei Poetik-Vorlesungen in Zürich präsentiert. Stanisic stammt aus Visegrad, Ex-Jugoslawien, Jackie Thomae («Brüder») hat einen afrikanischen Vater. Damit erfüllt die Liste auch allfällige Diversitäts-Anforderungen. Der sechste Titel stammt von Norbert Scheuer, der Endsechziger legt mit «Winterbienen» einen weiteren Eifel-Roman vor.
Der Deutsche Buchpreis wird am 14. Oktober im Rahmen der Frankfurter Buchmesse übergeben, der Schweizer Buchpreis am 10. November im Theater Basel.
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