«Schweizer galten als anpassungsresistent»
Die Angst vor Migration sei meist unbegründet, sagt Historiker Jochen Oltmer. Er erinnert an die Zeit, in der Europäer auf der Flucht waren.
Europa erlebt die Flüchtlingskrise als politische Zerreissprobe. Kann ein Blick in die Geschichte der Migration beruhigen?
Ja. Denn die Geschichte zeigt, dass die heutige Situation keine Ausnahmesituation ist. Dass Migration schon früher für ähnliche oder grössere gesellschaftliche Aufregung gesorgt hat. Die Geschichte entkräftet die Ängste vor den Folgen der Migration: Ängste vor wirtschaftlichen Einbussen oder vor dem Verlust der kulturellen Identität. Diese Ängste erwiesen sich im Rückblick zumeist als übertrieben. Die Geschichte zeigt, dass Migrationskrisen sehr wohl bewältigbar sind. Auch deshalb, weil ja häufig nur der geringere Teil der Zuzüger bleibt. Zwischen 1955 und 1973 kamen 14 Millionen Gastarbeiter nach Deutschland, elf Millionen reisten letztlich wieder heim. Und die Geschichte zeigt auch, dass Integration ein Prozess ist, an dem mehrere Generationen teilhaben, bis sie tatsächlich vollzogen ist. Dass folglich sehr häufig viel zu früh von «gescheiterter Integration» die Rede ist.