Schweizer sorgen sich ums Klima und setzen auf «Grün»
Der Klimawandel gehört laut der neuen Tamedia-Umfrage zu den grössten Sorgen der Bevölkerung – das könnte die Wahlen im Herbst prägen.

Die steigenden Gesundheitskosten sind zurzeit das drängendste Problem in der Schweiz. 71 Prozent der Personen, die sich an der jüngsten Wahlumfrage von Tamedia beteiligten, erachten sie als problematisch. Das sind noch mehr als in der letzten Umfrage Ende September 2018. Damals waren es 66 Prozent.
Die mittlere Krankenkassenprämie ist zwischen den beiden Umfragen mit 1,2 Prozent zwar weniger stark gestiegen als in früheren Jahren – aber sie hat sich auf hohem Niveau weiter erhöht. Vor allem potenzielle Wählerinnen und Wähler von CVP, SP und BDP beobachten die steigenden Gesundheitskosten mit Besorgnis.
Sorge um Altersvorsorge
Es ist die mittlerweile vierte Wahlumfrage, welche Tamedia im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen vom 20. Oktober 2019 durchgeführt hat. 22'326 Personen aus der ganzen Schweiz haben sich zwischen dem 18. und dem 20. Februar online daran beteiligt, womit die Umfrage repräsentativ ist. Tamedia hat sie zusammen mit den Politikwissenschaftlern Lucas Leemann und Fabio Wasserfallen von Lee-Was durchgeführt. Die Politologen gewichten die Umfragedaten nach demografischen, geografischen und politischen Variablen.
Kaum weniger beunruhigend als die Gesundheitskosten erscheint den Befragten die Altersvorsorge. 63 Prozent nannten sie als grosses Problem, im September waren es noch 57 Prozent. So sind es heute besonders soziale Themen, die der Bevölkerung Sorge bereiten. Bei der Umfrage war es möglich, mehrere Probleme zu nennen.

Auf dem dritten Platz der drängendsten Probleme liegen neu der Klimawandel und das Verhältnis zur EU (je 49 Prozent Zustimmung). Im vergangenen Herbst war es noch die Zuwanderung, heute wird sie aber nur noch von 41 Prozent der Befragten genannt. Die Befragten aller Parteien führen den Klimawandel unter den fünf grössten Problemen auf – ausser jenen der SVP. Andere Themen beschäftigen die Bevölkerung hingegen kaum mehr, am wenigsten der Drogenmissbrauch (5 Prozent), aber auch die politische Lage im Ausland, die Wirtschaftslage und die Sicherheit und die Armee.
67 Prozent der Befragten erachten den Klimawandel insbesondere für die Schweiz als ein grosses oder eher grosses Problem. Mitten in den Klimastreiks sind sie auch bereit, selber einen Beitrag für die Umwelt zu leisten. Am häufigsten gaben sie an, weniger Nahrungsmittel essen zu wollen, die von weit her in die Schweiz geschafft werden; ein Bekenntnis, das sich ohne grosse Einschränkung umsetzen lässt. Am zweithäufigsten gaben sie an, in den nächsten zwölf Monaten auf mindestens einen Flug verzichten zu wollen. Die wenigsten wären hingegen bereit, der Umwelt zuliebe auf ihr Auto zu verzichten oder in eine kleinere Wohnung zu ziehen.
Grüne gewinnen
Wäre Ende Februar gewählt worden, hätten die Parteien, die das Wort «Grün» im Namen führen, deutlich zulegen können. Die Grünen hätten gar einen Wähleranteil von 9,6 Prozent erreicht (eidgenössische Wahlen 2015: 7,1 Prozent). Damit lägen sie fast gleichauf mit der CVP, die noch auf 9,9 Prozent käme (2015: 11,6 Prozent). Die Grünliberalen hätten sich auf 6,7 Prozent steigern können (2015: 4,6 Prozent). Rein rechnerisch könnten die grünen Parteien zusammen zu Recht einen Sitz im Bundesrat einfordern.
Die Schülerstreiks, sagt Lucas Leemann von Lee-Was, seien nur einer von mehreren Gründen dafür, dass heute das Umweltthema bei der Wählerschaft Konjunktur habe. Er fragt sich, ob die Streiks, selbst wenn sie bis zu den Wahlen weitergeführt würden, den grünen Parteien tatsächlich Stimmen bringen. Der Fehlerbereich bei der Umfrage liegt bei 1,3 Prozentpunkten.
Auch FDP-Präsidentin Petra Gössi will ihre Partei grüner einfärben. Dass das eine gute Strategie ist, bezweifelt Leemann: «Man kann nicht einfach sagen: Jetzt sind wir auch umweltfreundlich.» Die Wählerschaft nehme es der FDP nicht ab, denn in der öffentlichen Wahrnehmung gelte sie zurzeit als jene Partei, die das CO2-Gesetz zu Fall gebracht hat. Gössi sagte zwar gegenüber dieser Zeitung, dass die FDP den Umweltschutz in ihrer DNA habe. «Hätte die Partei aber danach gehandelt, gäbe es heute keine Grünliberale Partei», meint Leemann.
FDP deutlich hinter SP
SP wie auch FDP hätten in Wahlen Ende Februar gegenüber den letzten Wahlen beide verloren. Die SP läge mit 18,4 Prozent aber noch immer deutlich vor der FDP mit 15,9 Prozent. Petra Gössi hat sich zum Ziel gesetzt, die SP in der Rangliste der wählerstärksten Parteien von Platz zwei zu verdrängen, die SRG-Umfrage vor zwei Wochen wird sie darin noch bestärkt haben. Nach dieser liegen die beiden Parteien nach den nächsten Wahlen gleichauf.
Gemäss der Tamedia-Umfrage aber liegt die FDP deutlich hinter der SP. «Im Moment sehe ich es nicht, dass die FDP zur SP aufschliessen könnte», sagt Leemann. Bis zu den Wahlen dauere es aber noch über ein halbes Jahr. Und in dieser Zeit könne noch viel geschehen.
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