Schweizer Volkszählung: Auserwählten droht Strafzahlung
250'000 Personen müssen dem Bund derzeit persönliche Daten liefern. Bis zu 1000 Franken bezahlen muss, wer nicht mitmacht. Doch das verschweigt der Bund.

Wie viel beträgt die Monatsmiete für Ihre Wohnung? Wie lautet die Adresse Ihres Arbeitsorts? Welche Sprache(n) sprechen Sie üblicherweise zu Hause? Mit solchen Fragen sehen sich dieser Tage gut 250'000 Personen konfrontiert, also rund 3 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Sie alle wurden vom Bund per Zufallsgenerator ausgewählt, um die eidgenössische Volkszählung 2017 zu komplettieren.
Bei der Informationsbeschaffung stützt sich der Bund zwar vorwiegend auf die Einwohnerregister, welche die Gemeinden und Kantone führen. Diese aber enthalten nicht alle vom Bund gewünschten Daten. Deshalb führt er ergänzend die besagte Stichprobenerhebung durch. Diese liefert ihm Informationen über Bildung, Arbeitsmarkt, Pendlerströme, Familien und Wohnverhältnisse sowie Sprach- und Religionsgemeinschaften in der Schweiz; das seien wichtige Daten für Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Medien, betont das federführende Bundesamt für Statistik (BFS).
Die auserwählten Personen sind verpflichtet, den Fragebogen auszufüllen. Die Teilnahme sei obligatorisch, schreibt das BFS in einem Brief, den es allen «Personen, die an der Strukturerhebung 2017 teilnehmen», verschickt hat. Im Schreiben, das dieser Zeitung vorliegt, verweist das Bundesamt auf den entsprechenden Artikel 10 des Volkszählungsgesetzes. Unerwähnt lässt das BFS jedoch, was all jenen droht, die den Fragebogen unvollständig oder falsch beantworten oder die Unterlagen nicht fristgerecht einreichen: Sie müssen eine Gebühr von bis zu 1000 Franken bezahlen – für den zusätzlichen Aufwand, der der Bundesverwaltung entsteht; so steht es in Artikel 11 des gleichen Gesetzes.
Verwaltung fühlt sich schuldlos
Ein Versäumnis sieht das BFS in seiner lückenhaften Rechtsmittelbelehrung nicht: «Unser Ziel sind vollständig, korrekt und rechtzeitig ausgefüllte Fragebogen und nicht die Eintreibung von Gebühren», sagt BFS-Vizedirektor Markus Schwyn. Für «angemessen» hält das BFS auch die Frist, die es den Bürgern setzt: Der Brief datiert vom 31. Dezember 2017, er dürfte also in der ersten Januarwoche alle betroffenen Haushalte erreicht haben. Einsendeschluss ist der 26. Januar 2018. Die auserwählten Personen haben also knapp einen Monat Zeit.
Zu ihnen gehört Hans Weber. Die Frist sei zu kurz, sagt der Mann, der in Wirklichkeit anders heisst. Und er ärgert sich darüber, dass diese Frist just die «doch eher behäbig arbeitende» Bundesverwaltung setze. Die drohende Gebührenzahlung von bis zu 1000 Franken hält er für eine «Frechheit». Es gebe schliesslich legitime Gründe, auf eine Teilnahme zu verzichten. Zum Beispiel, weil man bezweifle, dass das BFS die Angaben «streng vertraulich behandelt», wie das Bundesamt im Schreiben versichert. Hinzu kommt: was, wenn jemand vom Schreiben zu spät Notiz nimmt, etwa weil er just den ganzen Januar in den Ferien weilt? Oder er beruflich und privat so belastet ist, dass er keine Zeit und Ruhe findet, die Antworten zu liefern?
Offenbar haben solche Fälle keine finanziellen Folgen. «Bezahlen musste bisher niemand», sagt BFS-Vizedirektor Schwyn. Dies liegt aber nicht daran, dass alle Angeschriebenen anstandslos mitmachen. 113'000 versäumen die erste Frist und erhalten Ende Februar ein erstes Erinnerungsschreiben, 32'000 davon Ende März ein zweites, bei weiteren 45'000 sind Rückfragen nötig.
Konsequenzen drohen nur jenen, welche nach der zweiten Erinnerung «ohne Begründung keinen Fragebogen einreichen», wie das BFS erläutert. Solche Fälle gibt es zwar. Allerdings beträgt der Rücklauf der Fragebogen laut BFS insgesamt mehr als 90 Prozent. Dies sei bei einer Stichprobenerhebung so gut, dass keine weiteren Schritte nötig seien, so Schwyn. All jene, die sich um den Fragebogen foutieren, haben also letztlich nichts zu befürchten – solange der Gesamtrücklauf hoch bleibt.
FDP- und SVP-Politiker für Abschaffung der Strafe
Kritik üben nicht nur Direktbetroffene, sondern auch Politiker. Das BFS müsse seine Kommunikation überdenken, sagt Hans-Ulrich Bigler, FDP-Nationalrat und Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Die Androhung einer 1000-Franken-Strafe hält er für falsch. Bigler überlegt sich nun, einen Vorstoss einzureichen, in dem er die Abschaffung dieses Gesetzespassus verlangt. Auch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi würde einer Aufhebung zustimmen. Die Teilnahme an der Umfrage sollte seiner Ansicht nach freiwillig sein. «Es geht nicht an, dass der Bund seinen Bürgern Strafzahlungen androht, nur weil er die Zahl der Teilnehmer an einer seiner zahlreichen Umfragen etwas nach oben drücken will.»
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