Schwere Krise zwischen der CDU und der CSU
Im Streit um Angela Merkels Flüchtlingspolitik will die CSU eine Kehrtwende erzwingen. Die CDU möchte sich nicht erpressen lassen und bittet um mehr Zeit.

«Ernst», «dramatisch», «existenziell», «historisch» sei die Lage, sagten am Donnerstag wahlweise entgeisterte oder grimmige deutsche Christdemokraten und bayerische Christlich-Soziale. Im Bundestag spielten sich tumultuöse Szenen ab, etwa als Innenminister Horst Seehofer (CSU) mit seinen Abgeordneten in die eine Richtung und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihren Leuten in die andere Richtung davonzogen, um über die Krise zu beraten.
«Wir sind im Endspiel um die Glaubwürdigkeit», kündigte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder an Seehofers Sitzung an. Deutschland solle Europa mit einem Alleingang vor Augen führen, so Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, dass die bisherige Asylpolitik gescheitert sei. CSU-Generalsekretär Markus Blume hatte schon zuvor gewarnt: «Wer hier falsch abbiegt, versündigt sich an unserem Land.» Aus Merkels Sitzung drang geballter Unmut über die angeblich verschwisterte Partei. Ohne Not provoziere die CSU eine schwere Regierungskrise. Erpressen lassen werde man sich aber nicht.
Das Drama hatte sich an der Frage entzündet, ob Deutschland künftig wie Frankreich Zehntausende Asylsuchende, die schon anderswo in der EU registriert wurden, direkt an der Grenze abweisen soll. Seehofer, die CSU, aber auch die Alternative für Deutschland und die FDP fordern dies ultimativ und sehen sich dabei von Umfragen gestützt, nach denen eine Mehrheit der Deutschen die Massnahme befürwortet. Merkel, ein Teil ihrer Partei sowie SPD, Grüne und Linkspartei lehnen dies vehement ab. Die Zurückweisung verletze europäisches Recht und setze nur Staaten wie Italien oder Griechenland unter Druck, in denen am meisten Flüchtlinge ankämen. Die Kanzlerin sucht deswegen eine europäische Lösung.
Bereits am Mittwochabend hatten Merkel und Seehofer drei Stunden erfolglos versucht, einen Kompromiss zu finden. Die Kanzlerin machte das Angebot, bis zum EU-Gipfel in zwei Wochen bilaterale Abkommen mit EU-Partnern abzuschliessen, um rechtlich einwandfrei die Zurückweisung von Migranten zu ermöglichen, die in diesen Ländern bereits Asylanträge gestellt haben. Die CSU aber glaubt nicht mehr an europäische Lösungen und will nun «endlich» handeln – das sei man der eigenen Wählerschaft schuldig. In Bayern wird im Oktober gewählt, die CSU droht ihre absolute Mehrheit zu verlieren.
Ultimatum der CSU an Merkel
Am Donnerstag spitzte sich der Streit weiter zu, sodass sich CDU und CSU schliesslich zu getrennten Krisensitzungen ihrer Fraktionen trafen – ein höchst aussergewöhnlicher Schritt. Die CSU sprach dabei eine Art Ultimatum aus: Lenke Merkel nicht ein, werde Seehofer die Zurückweisungen in seiner eigenen Kompetenz als Innenminister verordnen. Schon am Montag werde er sich vom Vorstand seiner Partei den entsprechenden Auftrag geben lassen.
Merkel wiederum, die sich von der eigenen Fraktion am Dienstag noch viel Kritik für ihren Widerstand gegen Seehofer hatte anhören müssen, sah sich nun von der Mehrheit ihrer Abgeordneten in ihrer Linie bestärkt, zunächst noch einmal eine europäische Lösung zu suchen. Der einzige Spitzenpolitiker, der sich in der Fraktion gegen die Parteichefin aussprach, war Gesundheitsminister Jens Spahn. Der junge Konservative unterstützte Seehofer und forderte eine gemeinsame Fraktionssitzung mit der CSU dazu, über dessen Forderungen abzustimmen. Spahn blieb damit aber vorerst in der Minderheit.
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