Schwinger kämpfte mit Bär – «es floss auch etwas Blut»
Vor 40 Jahren erlebte das Schwingen einen Skandal.
«Bumsvoll» sei die Halle gewesen, schrieb der «Blick». Deftige Worte, grober Anlass: Schwinger Ruedi Hunsperger hatte im Hallenstadion im Dezember 1976 in der «Nacht des Sports» gekämpft – gegen einen Bären. Ein Skandal, der die Schwingsaison 1977 prägen sollte. Hunsperger, der dreifache Schwingerkönig, war bereits zurückgetreten, kehrte mit dem Show-Kampf nun aber zurück ins Rampenlicht.
Es war vielleicht die skurrilste Episode der Schwinger-Geschichte: Aus Deutschland war ein Bär herangekarrt worden, der gegen Hunsperger und den Judoka Jürg Röthlisberger kämpfen sollte. Je besser man mit den Bärenkräften zurechtkam, desto mehr Punkte gab es. Die Krallen des laut «Blick» 150 Kilogramm schweren Bären waren mit Boxhandschuhen abgedeckt, das Maul mit einem Maulkorb eingefasst.
Willy Koch, ein früherer «Blick»-Reporter, war damals einer der Veranstalter: «Die Bärendame Yogi gehörte einem Dompteur, ein Pole glaubs.» Die Bärendame sei damals durch ganz Europa getourt, «um gegen Muskelprotze zu kämpfen», sagt er gegenüber Redaktion Tamedia. Irgendwie sei man an eine Bewilligung für den Kampf gekommen.
Dann kam der Bär
Als Erster dran gewesen sei Röthlisberger, der 1980 noch Olympiasieger werden sollte. «Nei, ihh», habe der Judoka gesagt, erinnerte sich Hunsperger im Buch «Hosenlupf» (Zürich, 2010). «Röthlisberger hatte ziemliche Angst.» Hunsperger erinnert sich, wie der Judoka in die Arena gegangen war. Der Bär sei auf Röthlisberger zugekommen – und wenn man dann Angst habe... Der Bär habe Röthlisberger «gad zämetrückt». Dann sei er, Hunsperger, an der Reihe gewesen:
«Ich hane eifach so gha, er hät hie igängt, und ich ha ging me glüpft und bi hingere gluffe. U pötzlich hets dä» – Hunsperger spricht vom Bär – «de hingerischi ufe Rugge gnu…»
Veranstalter Koch erinnert sich: «Es floss auch etwas Blut, wegen eines Kratzers.» Röthlisberger, der mittlerweile 62 Jahre alt ist und als Pensionierter in Malaga lebt, sagt seinerseits gegenüber Redaktion Tamedia: «Der Rüedu hat das schon besser gemacht als ich, das muss ich sagen. Aber er hatte ja auch 40 Kilogramm mehr auf den Rippen!» Aber der Kampf sei schon okay gewesen. «Ich musste danach ja nicht ins Spital oder so.»
Aufruhr am Eidgenössischen
Hunsperger bekam nach dem Kampf grossen Ärger. Die traditionsbewussten Funktionäre des Schwingerverbands wollten den Berner massregeln. Hunsperger wurde die Schwinger-Lizenz entzogen und die übliche Königs-Ehrung am Eidgenössischen 1977 in Basel versagt. Hunsperger ging trotzdem hin – als Co-Kommentator fürs Radio, eine Provokation sondergleichen.
Verbandspräsident Ernst Marti erklärte darauf, das Eidgenössische werde nicht beginnen, solange Hunsperger auf der Tribüne sei. Die 30'000 Zuschauer wurden unruhig, dann ergriff der OK-Präsident Schneider, ein Regierungsrat, das Mikrofon: «Herr Marti, das ist nicht Ihr Fest, das ist unser Fest. Und jetzt fangen wir an mit Hunsperger auf der Tribüne.» Hunsperger eckte auch andernorts an. So spielte er einen Bodyguard in der Verfilmung von Dürrenmatts «Der Richter und sein Henker», posierte als Model und arbeitete als Turner auf einer Kreuzfahrt – und wurde jedes Mal von den Gralshütern des Schwingens gerüffelt.
«Ich würde den Kampf heute wohl nicht mehr antreten.»
Wie sich die Zeiten ändern: Die Schwinger, deren Saison nun wieder begonnen hat, haben heute weit grössere Freiräume. Sie verdienen als Werbefiguren für Versicherungen oder Mobilfunkanbieter üppiges Geld. Und ein Kampf mit einem Bären wäre heute ein Unding, nicht nur für Tierschützer. Es habe auch damals nicht so gewirkt, als ob der Bär während des Kampfs Spass gehabt hätte, sagt Jürg Röthlisberger. «Ich würde den Kampf heute wohl nicht mehr antreten.»
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