Selbsternannter Bürgermeister ruft nach russischen Friedenstruppen
In der ostukrainischen Stadt Slawjansk haben prorussische Separatisten eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Zuvor kam es zu einem tödlichen Schusswechsel – an dem Rechtsextreme schuld sein sollen.
Im Osten der Ukraine haben prorussische Kräfte eine Ausgangssperre über die Stadt Slawjansk verhängt. «Zwischen Mitternacht und sechs Uhr früh ist es verboten, die Strassen zu nutzen», sagte der selbsternannte Bürgermeister der Hochburg prorussischer Kräfte, Wjatscheslaw Ponomarew, vor Journalisten.
Ponomarew rief den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, Friedenstruppen in die Ostukraine zu schicken, um die Bevölkerung vor «Faschisten» zu schützen. Die Ausgangssperre trete noch am Sonntag in Kraft, sagte Ponomarew. Ein Lautsprecherwagen fuhr am Nachmittag durch die Stadt, um die Ausgangssperre auszurufen.
Rechtsextreme beschuldigt
Ponomarew erklärte, die Bevölkerung von Slawjansk werde durch die rechtsextreme ukrainische Bewegung Prawy Sektor (Rechter Sektor) bedroht. Diese sei auch für einen Schusswechsel an einer Strassensperre verantwortlich. Bewaffnete attackierten dabei nach Angaben von Vertretern der prorussischen Milizen eine Strassensperre der Separatisten.
Videoaufnahmen zeigen zwei ausgebrannte Autos an einer improvisierten Strassensperre. Bewaffnete Kämpfer zeigen Patronenhülsen.
(Video: Youtube/Graham Phillips)
Während das russische Staatsfernsehen von fünf Toten berichtete, bestätigte die Regierung in Kiew bislang nur einen Toten. Drei weitere Menschen seien verletzt worden. Andere Quellen sprechen von bis zu sechs Toten. Die Hintergründe des Schusswechsels müssten geklärt werden, teilte das Innenministerium in Kiew mit.
Behörden melden erste Entwaffnungen von Uniformierten
Die ukrainischen Behörden haben derweil erstmals nach den Anti-Krisen-Beschlüssen von Genf eine Entwaffnung militanter Uniformierter und gewaltbereiter Aktivsten gemeldet. Innenminister Arsen Awakow teilte in Kiew mit, dass in der Stadt Lugansk drei Menschen mit Maschinengewehren ohne Blutvergiessen festgenommen worden seien.
Das Innenministerium rief angesichts des Osterfestes die Menschen in der Ost- und in der Westukraine zu Versöhnung und Einheit auf.
Russland bereitet laut Kreml keinen Militäreinsatz in Ukraine vor
Russland bereitet nach Angaben von Kremlsprecher Dmitri Peskow keinen Militäreinsatz in der Ukraine vor. Präsident Wladimir Putin habe sich zwar eine Vollmacht geben lassen, um russische Bürger in dem krisengeschüttelten Land notfalls zu schützen.
Allerdings unternehme Russland «nichts, was von Einmarschplänen zeugen würde», sagte der Sprecher am Samstag im russischen Staatsfernsehen. Die vom Westen kritisierte Stationierung von russischen Streitkräften an der Grenze zur Ukraine hatte Peskow in einer anderen TV-Sendung zuvor als Sicherheitsvorkehrung verteidigt.
Militäroperation über Ostern ausgesetzt
Wie das Aussenministerium in Kiew mitteilte, stellte die Regierung die aktive Phase ihrer Anti-Terror-Operation im prorussischen Gebiet Donezk vorläufig ein. «Die Operation selbst geht aber weiter», teilte das Aussenamt in Kiew mit. Ziel sei es, der Bevölkerung illegale Waffen zu entziehen.
In vielen Städten der Ostukraine besetzen seit Wochen russisch orientierte bewaffnete Uniformierte zahlreiche öffentliche Gebäude. In Donezk haben Aktivisten sogar eine Volksrepublik ausgerufen. Sie fordern eine Föderalisierung der Ukraine mit Autonomierechten für die russischsprachigen Gebiete. Eine bei internationalen Krisengesprächen in Genf vereinbarte Entwaffnung lehnten sie ab. Die Spannungen gefährden die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl.
Die ukrainische Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko reiste in die unruhigen Ostprovinzen, um den Weg für eine politische Lösung zu ebnen. In Donezk schlug die frühere Ministerpräsidentin vor, den Konflikt mit prorussischen Kräften an einem Runden Tisch zu lösen, also ohne Gewalteinsatz. Auch Russland fordert einen innerukrainischen Dialog.
Laut Jazenjuk träumt Putin von der Wiedererrichtung der Sowjetunion
Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, von der Wiederherstellung der Sowjetunion zu träumen. «Präsident Putin hat den Traum, die Sowjetunion wieder zu errichten», sagte Jazenjuk in einem Interview mit dem US-Fernsehsender NBC. Jeden Tag schreite er weiter und weiter voran, ohne zu wissen, wo das Endziel sei.
«Ich denke, es wäre die grösste Katastrophe dieses Jahrhundert, wenn die Sowjetunion unter der Federführung von Präsident Putin wieder errichtet würde.»
Jazenjuk verurteilte in dem Interview auch die Verteilung anti-jüdischer Flugblätter durch prorussische Aktivisten im Osten der Ukraine. Jazenjuk sagte, er werde die ukrainischen Sicherheitsdienste drängen, «diese Dreckskerle» umgehend zu finden und vor Gericht zu bringen.
Der Vorfall hatte sich am Dienstag vor einer Synagoge in der ostukrainischen Stadt Donezk ereignet. Laut israelischen und amerikanischen Medienberichten hatten drei maskierte Männer die Flugblätter vor der Synagoge verteilt, als die Gläubigen gerade einen Gottesdienst zur Feier des Pessach-Festes verliessen.
Deportation und Konfiszierung
In den Flugblättern mit dem Symbol der selbsterklärten separatistischen Republik Donezk und der russischen Flagge wurden die Juden aufgerufen, sich bei den Behörden der selbsternannten Republik registrieren zu lassen. Andernfalls würden sie deportiert und ihr Besitz konfisziert.
US-Aussenminister John Kerry hatte bereits am Donnerstag nach dem Krisentreffen zur Ukraine in Genf den Vorfall scharf verurteilt. Auch US-Präsident Barack Obama äusserte sich angewidert. Donezk ist wie mehrere weitere Städte im Osten der Ukraine praktisch unter der Kontrolle prorussischer Milizen.
Kiew und der Westen werfen Russland vor, den Aufstand mit Sondereinsatzkräften zu unterstützen und zu lenken, um so wie auf der ukrainischen Halbinsel Krim die Annexion des Gebiets vorzubereiten. Russland und die prorussischen Kräfte in der Ukraine wiederum werfen Jazenjuk vor, mit «faschistischen» Gruppen zu paktieren.
Tatsächlich sind die rechtsradikale paramilitärische Gruppe Prawy Sektor und die ultranationalistische Swoboda-Partei an der Übergangsregierung in Kiew beteiligt. Swoboda-Politiker waren in der Vergangenheit wiederholt mit anti-semitischen Parolen aufgefallen.
sda/AP/AFP/mw
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