

Philippe Zweifel
Die Serie schafft eine Parallelwelt für Millionen. Das ist einmalig.
Ja
Was soll man zu einer Fernsehserie noch sagen, über die gescheite Menschen Hunderte Essays geschrieben haben? Vielleicht, dass die «New York Times» während der neuen Staffel einen regelmässigen Newsletter verschickt? Recht hat sie. Denn «Game of Thrones» ist kein Fantasy-Kitsch, der in einer gigantischen Endschlacht zwischen Gut und Böse gipfelt, wie etwa «Lord of the Rings». Die Handlung der Serie siedelt nicht in einer Art mystischem Disneyland an, sondern orientiert sich an den Kreuzzügen und am Hundertjährigen Krieg. Es herrscht politisches Chaos, die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen. Ja, es kommen auch Drachen und Hexen vor, und sie sind für Kritiker natürlich das Einfallstor: Guckt, wie infantil! Haben wir nicht genügend reale Probleme!
Nun, zum einen ist ein bisschen Eskapismus nach einem harten Bürotag überhaupt nicht falsch. «Valar Morghulis» lautet das hochvalyrische Motto der Serie – «Jeder Mensch muss sterben». Umgedeutet: Alles ist sinnlos, vertreiben wir uns die Zeit bis zum letzten Stündlein mit Spannung.
Was viele Kritiker offenbar auch nicht verstehen: Es ist die grosse Leistung der Serie, dass sie unter den Fantasy-Elementen nicht kollabiert. Schwerter, Schlachten und Eis-Zombies sind Hingucker, doch «Game of Thrones» war von Beginn weg viel mehr: eine sorgfältig konstruierte Mythologie, die in ihrer Komplexität universelle Themen spiegelt. Liebe, Tod, Gier, Grosszügigkeit, Vertrauen, Verrat, Loyalität, Leidenschaft, Mitgefühl, Sadismus – es gibt kaum eine Charaktereigenschaft, welche die Serie nicht durch unvergessliche Figuren auslotet; Figuren, die selbst Shakespeare zum Fan gemacht hätten.
Mühelos werden Aspekte von Politik, Religion, Familie, Elternschaft, Kindheit oder Freiheit behandelt. Dazu kommen starke Frauen, witzige One-Liner, ergreifende Reden und Landschaften sowie Städte, die so überwältigend inszeniert sind wie die vielen Sexszenen, raffinierten Intrigen und kunstvoll abgehauenen Köpfe. Weil sich die Serie über viele Jahre Zeit nahm, sich zu entwickeln, ist diese Vielfalt weder oberflächlich noch beliebig. Im Gegenteil: «Game of Thrones» hat sich zu einer Parallelwelt ausgebildet, deren Sog sich eine weltweite Gemeinschaft von Millionen Menschen nicht entziehen kann. Das schafft zurzeit keine andere Serie. Und schon gar kein Buch, Film oder Theaterstück.

Linus Schöpfer
Zu viel Raunen, zu wenig Humor. Und nein, es ist nicht wie Shakespeare.
Nein
Es gibt circa 1000 Gründe, die gegen die Serie sprechen. Hier sind zehn davon.
1. Dummes Geraune: «Winter is coming», raunen alle möglichen Figuren in «Game of Thrones», und das während x Episoden. Man hört das dumme Geraune und denkt: «Söll emal cho.»
2. Kein Humor: Die einzige halbwegs lustige Figur ist ein Zwerg. Ein Zwerg. Haha.
3. Alles grässlich weiss hier: Es schneit ständig in «Game of Thrones». Überall liegt Schnee, und alle frieren, weil sie in einer primitiven Zeit leben und nur Felle tragen dürfen. Na toll.
4. Brachial-Erotik: Hängt der Plot durch, fahren die Drehbuch-Autoren barbusige Prostituierte auf. Jedes Mal.
5. Ekel-Faktor: Mehrmals sieht man ein adrett bumsendes Pärchen. Dann erfährt man: Das sind Geschwister. Würg.
6. Wiedergänger: Tote werden schon mal mittels Hokuspokus wiederbelebt. Aber was sollen dann die ganzen Hinrichtungen und Massaker?
7. Drachen-Blabla: Viel Zeit geht drauf für ödes Gerede über Drachen. Drachen-Eier, Drachen-Ernährung, Drachen-Erziehung. Als wären Drachen etwas super Spezielles in einem Fantasyfilm.
8. Eldorado für Besserwisser: Weil die Serie bis jetzt auf Büchern des Fantasy-Autors George R. R. Martin basierte, debattieren die Fans wie mittelalterliche Scholastiker. Das klingt in etwa so: Wurde der Zehennagel des Riesen Mag Mar Tun Doh Weg von HBO im korrekten Grün eingefärbt? Hat Harpy auch im Buch eine goldene Krone? Pupsen Drachen? Total sinnlos.
9. Räbäää: Die Serie ist voll mit quengelnden Kleinkindern. Nervt hier doppelt, weil sich die Trötzlis als Töchter eines Lords oder gleich als König aufspielen dürfen.
10. Es gibt Besseres: Nein, «Game of Thrones» ist nicht «wie Shakespeare». Shakespeare ist tiefer, schöner, menschlicher. Und auch für den gepflegten TV-Abend gibt es klügere Alternativen, Lars von Triers Spitalserie «Riget» etwa. Die ist richtig gfürchig, und das ganz ohne «White Walkers».
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«Shakespeare wäre Fan gewesen» – «Brachial-Erotik!»
Muss man «Game of Thrones» gesehen haben? Am Sonntag startet die zweitletzte Staffel.