Dokutheater über SexarbeitSie arbeiten am perfekten Bordell
Hier spricht die Domina. Das Stück «Sweet & Sour» erzählt von Menschen, die im Sexgewerbe arbeiten.
«Ich verkaufe nicht meinen Körper. Ich verkaufe eine zeitlich beschränkte Dienstleistung.» Osmir Santiesteban Peña steht auf der Probebühne und erzählt aus seinem Leben: Wie er, aufgewachsen in Havanna, nach München kam, wie er in dort in der Gastro wirkte – und für sich die Sexarbeit entdeckte («ich verdiente in diesem Gewerbe viel, viel mehr»). Seit sechs Jahren lebt er nun in Zürich und arbeitet als «Dominant Lady» oder «Herrin». Im Tagi hat er auch schon inseriert.
«Ich zieh mich aus. Ich zieh mich an. Nächtelang, Jahrelang. Rein und Raus.
Helena del Monte heisst er auf der Bühne. Denn Osmir Santiesteban Peña ist jetzt auch Teil eines Theaterprojekts über Sexarbeit und Migration in der Schweiz. An seiner Seite: die Puppenspielerin Frida León Béraud, sie hat auch die Idee zu diesem Stück gehabt.
Ihre Frage war: Entsprechen unsere Vorstellungen der Arbeit von Sexarbeiterinnen der Realität? Warum sind sie oft unsichtbar? Die Beratungsstelle Isla Victoria half mit Kontakten. In einem Workshop entwarfen die Frauen ein Bordell, wie sie es sich wünschten.
Es steht nun als Modell auf der Bühne: auch für die Möglichkeit, hier für sich selber zu sein.

Auch die Kostüme haben sie entworfen und genäht. Eine silberfarbene Hose mit Netzmuster macht Osmir Santiesteban Peña zu Helena del Monte: ein flamboyanter Auftritt. Übrigens: Die Frauen haben im idealen Bordell auch eine kollektive Garderobe vorgesehen. Schöne Kleider sind teuer. Sie könnte man teilen. Praktisch ist auch ein Arbeitsraum mit Computern. Für die Fortbildung.
Ein wilder Tanz
Ganz verschiedene Stimmen kommen in diesem Stück zusammen. «Sweet & Sour» ist Dokutheater. Die Sexarbeiterinnen erzählen von ihren Arbeitsbedingungen. Eingespielt werden Aussagen von Expertinnen und Beobachtern der Szene – Rousseau ist auch dabei: «Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern dass er nicht tun muss, was er nicht will.» Osmir Santiesteban Peña spricht diese Worte synchron nach durch grosse Plüschlippen – Regisseurin Barbara Terpoorten weiss, wie Theater funktioniert.
Serviert werden Fakten. Manche sind so krud, dass man sie gar nicht hören will – wie oft auch weggeschaut wird, was auf dem Gebiet der Prostitution alles passiert. Aber manchmal geht es ganz übermütig zu und her. Das Leben kann auch ein wilder Tanz sein. Da schnappt sich Osmir Santiesteban Peña einen Gummipimmel. Und zeigt auf der Flipchart, welcher der wichtigste Punkt ist: der Respekt.
Premiere 19.1., 20 Uhr, bis 29.1., Kulturmarkt Zürich Wiedikon, Ämtlerstr. 23, dalang.allyou.net
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