Nachruf auf Ursula RodelSie brachte Eleganz und Glamour nach Zürich
Die Designerin Ursula Rodel hat viel dazu beigetragen, Zürich zu einer internationalen Modestadt zu machen. Ihr Leben war unkonventionell und intensiv – auch dank der Bekanntschaft mit internationalen Stars.

Der bekannte Zürcher Künstler und Fotograf Walter Pfeiffer erinnert sich, wie er Ursula Rodel kennen lernte, irgendwann Anfang der 70er-Jahre.
Pfeiffer arbeitete damals als Grafiker für Globus, Rodel als junge Stylistin. «Weil ich schon damals immer komisch angezogen war, haben wir uns sofort verstanden», erzählt Pfeiffer am Telefon. Sie seien für Globus zusammen in europäische Modehauptstädte gereist, um sich inspirieren zu lassen, und daraus sei eine Freundschaft entstanden, die ein Leben lang gehalten habe.
«Sie interessierte sich für Frauen, ich interessiere mich für Männer – eine ideale Voraussetzung, um sich nicht in die Quere zu kommen.»
Laut Pfeiffer war Rodel zeitgeistig, aber herausragen liess sie, dass sie ihrer Zeit voraus war. Das sagen auch andere aus der Zürcher Mode-, Kultur- und Designerszene. Die Modeschöpferin, die am 5. März mit 75 Jahren gestorben ist – laut einer Quelle nach einem Sturz –, habe die Zürcher Mode von den 1970er- bis weit in die 1990er-Jahre enorm mitgeprägt.
Yannick Aellen, Direktor der Fashion-Plattform Mode Suisse, Showproduzent und Casting-Experte, sagt im Gespräch mit dieser Zeitung: «Sie erschien als starke, eigenwillige Frau, und diese Kraft kam auch in ihren Kreationen zum Ausdruck.» Aellen spricht von Rodels «Gender-Fluidität» und den französischen Inspirationen, die man gut gespürt habe.
Die Ästhetik der Uniform
Der Verleger und Schauspieler Patrick Frey hat die Verstorbene gekannt, weil in seinem Verlag 2015 das Buch «Female Chic» über Rodels Leben und Kunst erschienen ist. Die Designerin, sagt Frey, habe in ihrem Schaffen die Ästhetik von Uniformen – Kapitän, Cowboy, Offizier – in Kreationen einfliessen lassen, die weiblich und zugleich androgyn, verspielt und dennoch von unaufdringlicher Eleganz gewesen seien – und geprägt von einem «enormen Gefühl fürs Finish».

Ursula Rodel gründete 1972 gemeinsam mit Sissi Zöbeli und Katharina Bebié das Prêt-à-porter-Label «Thema Selection» zu einer Zeit, als Zürich noch zutiefst provinziell war – nicht nur, was Mode betraf. Davon hoben sich das Label und seine Schöpferinnen ab, weil sie für ein kosmopolitisches, unkonventionelles, selbstbewusstes Lebensgefühl standen.
Zwei Jahre lang betrat «keine Sau» den Laden. Dann kam die amerikanische «Vogue» mit einem begeisterten Bericht.
Im Buch «Female Chic» erzählt Rodel in einem Interview mit Patrick Frey: «Ach – wir gingen mit einer unglaublichen Unbeschwertheit ans Werk. Setzten das ganze Erbe ein, machten aus einem Eisenlager an der Weiten Gasse einen Laden. Einfach so! Es gab für uns keine Hinderungsgründe. Wir machten das einfach, Kopf voran.»
Allerdings, fügt sie hinzu, sei zwei Jahre lang «keine Sau» in den Laden gekommen. Die Rettung sei ein begeisterter Artikel in der amerikanischen «Vogue» gewesen. Danach wurde Thema Selection zum Label, das Zürichs Künstlerinnen, Galeristinnen und sonstige Kreative haben wollten. Und nicht nur sie: Rodel hat Schauspielerinnen in Filmen von Federico Fellini, Claude Berri oder Lars von Trier ausgestattet, und Catherine Denevue gehörte zu ihren Privatkundinnen.
Im Dokumentarfilm «Glow», den die Regisseurin Gabriel Baur dem funkelnden Leben der Zürcher Prostituierten, Performerin, Muse und Diva Irene Staub alias Lady Shiva widmete, tritt Rodel als wichtige Zeitzeugin auf.

Die Zürcher Modedesignerin Ida Gut, wie Rodel Trägerin des Grand Prix Design, schreibt per Mail: «Sie hatte ein ausgezeichnetes Gefühl für Formen, Farben und Proportionen. Ihre Entwürfe sind nie aus der Zeit gefallen; sie sind ein Statement für eine Haltung, die auch heute funktioniert.»
Patrick Frey erwähnt auch Seiten der Verstorbenen, auf die mehr Schatten als Licht fiel: «Ihre kreative Verspieltheit konnte ins Komplizierte, Kapriziöse umschlagen. Es war nicht immer einfach, mit ihr zusammenzuarbeiten.»
«In den letzten zwei Jahren haben sich unsere Wege wieder öfters gekreuzt», schreibt Ida Gut. «Ursula war immer cool, im wehenden Trenchcoat, mit Tolle im Haar. Wenn ich das mit 75 hinkriege, fände ich das schon ziemlich gut.»
Einige Gesprächspartner streifen Rodels jahrelange Drogensucht, die sie zu verbergen suchte, obwohl alle davon gewusst hätten. Der Konsum habe eine gewisse Neigung zur Unzuverlässigkeit noch verstärkt. Und gegen Ende der 1990er-Jahre habe sich Rodels Kreativität etwas erschöpft. Was danach noch gekommen sei, habe nichts mehr wirklich Bahnbrechendes gehabt.
Irgendwann ist es zu spät
«Sie hat ihre schöpferische Kraft eher bewirtschaftet als weiterentwickelt», sagt jemand. Der Rückzug vom Label Thema Selection, der auch wegen Spannungen mit den Geschäftspartnerinnen erfolgt sei, habe Verbitterung zurückgelassen. In den letzten Jahren sei die Modeschöpferin schwer krank gewesen.
Yannick Aellen erwähnt, er habe sich mit Ursula Rodel vor einiger Zeit zum Lunch verabredet. «Wir haben das Treffen dann mehrmals verschoben.» Ihr Tod sei auch eine Mahnung, Menschen, die einem wichtig seien, nicht morgen wiederzusehen, sondern heute.
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