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Der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern gelingt es, die Menschen zu berühren – und sie will handeln.

Der erste Weg führte Jacinda Ardern am Samstag zu den Menschen, die ihre Aufmerksamkeit am dringendsten benötigten: Neuseelands Premierministerin reiste mittags vom Regierungssitz in Wellington nach Christchurch, zum Ort des Terroranschlags. Es war ein Besuch, den kein Regierungschef auf der Welt gerne macht. Doch Arderns Reise war nicht nur deshalb besonders, weil sie die Premierministerin an einen Ort führte, an dem weniger als 24 Stunden zuvor 50 Neuseeländer Opfer eines Terroranschlags geworden waren, sondern auch wegen der Art, wie sie die Reise anging. Ardern verzichtete darauf, ihre Reisedaten an die Medien weiterzugeben, und verzichtete damit auf Publicity. Stattdessen fuhr sie direkt ins Canterbury Refugee Center, zu einem Treffen mit Repräsentanten der muslimischen Gemeinschaft Neuseelands. Erst dort konnten Kamerateams sie begleiten.
Auftritt mit Kopftuch
Der muslimischen Gemeinde brachte sie die visuell deutlichste aller Respektsbekundungen entgegen: Sie trug ein schwarzes Kopftuch, während sie davon sprach, wie wichtig es ihr sei, dass Muslime in Neuseeland auch in Zukunft ohne Sorgen ihren Glauben ausüben können – in einem Land, das die meisten von ihnen «freiwillig als ihre Heimat gewählt haben».
Es war ein emotionaler Auftritt der Premierministerin, der einiges über Ardern aussagt – und über das Land, das sie führt. 2017 wurde die damals 37-Jährige als Regierungschefin vereidigt, im Juni 2018 bekam sie als erst zweite Premierministerin weltweit während ihrer Amtszeit ein Kind. Ardern regiert in einer Koalition mit New Zealand First, einer nationalistischen Partei unter der Führung von Winston Peters, der die Einwanderung auf ein Minimum begrenzen möchte und gerade unter liberalen Neuseeländern umstritten ist.
In den ersten eineinhalb Jahren zeigte die Premierministerin jedoch, dass die auf den ersten Blick schwierige Regierungskonstellation funktionieren kann, wenn auch längst nicht alle Neuseeländer der merklich eingebremsten Einwanderungspolitik zustimmen. Dass Ardern die Stimmung in der Bevölkerung zu lesen weiss, zeigt ihre Entscheidung, öffentlich mit einem Kopftuch aufzutreten. Und tatsächlich: Was vielerorts wohl zumindest lautstark diskutiert worden wäre, erntete in Neuseeland grosse Zustimmung.
Grosse Anteilnahme
Die Anteilnahme am Schicksal der muslimischen Religionsgemeinschaft, die gerade einmal etwas mehr als ein Prozent der Bevölkerung ausmacht, ist ausserordentlich gross. In der Hauptstadt Wellington versammelten sich am Sonntag etwa über 10'000 Menschen zu einer gemeinsamen Mahnwache, im gesamten Land wurden spontane Gedenkfeiern ausgerichtet. Allein am Samstag versammelten sich in einer Grünanlage im Zentrum Christchurchs gleichzeitig eine Gruppe von Schülern aus dem Inselstaat Tonga und eine Gruppe nepalesischer Einwanderer, um der Opfer zu gedenken.
Am Sonntag sprach der Pfarrer der anglikanischen Kirche St. Michael auf der anderen Seite des Parks davon, dass man nicht nur in diesen Tagen die «Brüder und Schwestern» der muslimischen Gemeinde mit voller Aufmerksamkeit unterstützen müsse, sondern immer.
In Christchurch kommt die Art und Weise, wie die Premierministerin mit der Krisensituation umgeht, gut an. Lob erhält Ardern insbesondere dafür, dass sie klare Massnahmen ergreift, ohne dass diese aktionistisch wirken. Bereits in ihrem ersten Statement versprach sie, dass die Regeln für Waffenbesitz sich verschärfen werden, bereits am Montag soll in einer Kabinettssitzung der Entschluss für eine Gesetzesänderung gefasst werden. Mit ihrem Auftreten hat sich Ardern klar zur muslimischen Minderheit in Neuseeland bekannt. Sie zeigt sich dankbar dafür.
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