Neue Topfrau bei NovartisSie kann jedes Jahr Milliarden für die Medikamentenforschung ausgeben
Fiona Marshall kommt auf den Schlüsselposten des Pharmakonzerns Novartis: Sie leitet ab November die Forschung. Die Suche nach einem Alzheimer-Medikament wird sie fortführen.

Sie lässt sich gern mit Kittel und Schutzbrille fotografieren. Die Welt von Fiona Marshall ist das Forschungslabor. Und dort hat es die 57-Jährige so weit gebracht wie nur ganz wenige: Sie bekommt Milliarden für die Suche nach neuen Therapien – und dies jedes Jahr.
Marshall wird die neue Forschungschefin des Pharmakonzerns Novartis und macht die Neuausrichtung des Konzerns komplett. Die Britin konnte vom US-Giganten Merck abgeworben werden, wo sie bisher die Forschung geleitet hat. Ab November wird sie die Novartis Institutes for Bio Medical Research – kurz Nibr – führen mit einem jährlichen Budget von 2,6 Milliarden Dollar für Forschung und frühe Entwicklung.

Mit den Nibr betreibt Novartis sechs Forschungszentren, eines davon in Basel; die meisten jedoch sind in den USA. Auch die Nibr-Zentrale ist nicht am Hauptsitz von Novartis in Basel angesiedelt, sondern im amerikanischen Cambridge, wo mit Harvard und dem Massachusetts Institute of Technology zwei der weltweit renommiertesten Eliteuniversitäten zu finden sind – und entsprechend viele Nachwuchstalente.
Unter ihrem Vorgänger kam die Innovationsmaschine nicht auf Touren
5600 Forschende arbeiten bei den Nibr weltweit. An ihnen liegt es, die neue Medikamentengeneration von Novartis zu entwickeln. Genau das war das Problem des bisherigen Forschungschefs Jay Bradner. Der Vorgänger von Marshall leitete die Innovationsmaschine des Konzerns seit 2016, schaffte es aber nicht, genügend neue, marktreife Therapien hervorzubringen.
«Novartis hat auffällig viele zugekaufte neue Medikamentenkandidaten. Aus dem eigenen Haus haben es nur wenige mögliche neue Blockbuster mit einem Umsatzpotenzial von über eine Milliarde Dollar geschafft, überhaupt in die zweite Phase der klinischen Studien zu kommen», sagt Pharmaanalyst Michael Nawrath vom Schweizer Research- und Brokerhaus Octavian.
Mit der Biochemikerin Marshall soll die Forschung bei Novartis wieder mehr Erfolg am Markt erringen. Anders als Bradner kommt sie nicht allein aus dem akademischen Bereich, sondern hat vorher schon für die Industrie gearbeitet. Darum kennt sie den wesentlichen Unterschied in der Ausrichtung: Ziel ist die therapeutische Anwendung – das heisst der kommerzielle Erfolg – und nicht Grundlagenwissen.
Ihr Schwerpunkt ist die Forschung zu Alzheimer
Eines der Spezialgebiete von Marshall ist Neurobiologie und dort vor allem die Krankheiten älterer Menschen. Eine ihrer jüngsten Veröffentlichungen dreht sich um einen möglichen Behandlungsansatz bei Alzheimer. Bislang gibt es noch kein durchschlagendes Medikament gegen diese Krankheit. Novartis hat derzeit mehrere Moleküle in der klinischen Entwicklung sowie frühe Wirkstoffe, die für Alzheimer oder auch Parkinson erforscht werden.
Auffällig ist, dass in der Schweizer Pharmaindustrie der Frauenanteil in Kaderpositionen zuletzt stark gestiegen ist und andere Branchen überragt: Vor zwei Jahren waren 42 Prozent der leitenden Funktionen mit Frauen besetzt, wie es in einer Studie von BAK Economics heisst. Bei Novartis soll spätestens bis 2023 der Frauenanteil 50 Prozent betragen.
Mit Marshall sind die Schlüsselpositionen bei Novartis nun ganz mit Frauen besetzt: Neben der Forschungsleitung ist es Marie-France Tschudin, die die Pharmasparte führt.
Fehler gefunden?Jetzt melden.