Kopf des TagesSie kürzt ihren eigenen Lohn
Jacinda Ardern, die Premierministerin von Neuseeland, verzichtet auf 20 Prozent ihres Gehalts. Nicht um zu sparen, sondern um Solidarität zu zeigen.

Jacinda Ardern war 37 Jahre alt, als sie im Herbst 2017 zur Premierministerin von Neuseeland gewählt wurde. Seither führt sie ihr Land mit Einfühlungsvermögen und Tatkraft. In der jetzigen Krisensituation zeigt sich das besonders deutlich.
Ardern verkündete diese Woche, dass sie angesichts der globalen Pandemie ihr Gehalt um 20 Prozent kürzen wolle. Sie verdient umgerechnet rund 230’000 Franken im Jahr. Auch die Mitglieder ihrer Regierung und andere hohe Staatsbedienstete werden auf einen Teil des Lohns verzichten. Diese Massnahmen sollen für die kommenden sechs Monate gelten.
Ardern sagte: «Wenn es je eine Zeit gegeben hat, die Lücke zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen zu schliessen, dann jetzt.»
Zeit für «Leadership und Solidarität»
In Neuseeland gelten wegen Corona seit drei Wochen strikte Ausgangsbeschränkungen. Die Menschen dürfen ihre Wohnungen nur für Besorgungen oder für ein kurzes Luftschnappen verlassen. Behörden und Schulen sind geschlossen, die Wirtschaft steht praktisch still. Die Regierung rechnet damit, dass die Arbeitslosigkeit in Neuseeland deutlich ansteigt und massive Kürzungen bei den Gehältern erfolgen.
Ardern räumte ein, dass die Lohnkürzungen der Regierungsmitglieder an der Finanzlage des Staates kaum etwas ändern würden. Es sei aber wichtig, dass die am besten bezahlten Politikerinnen und Politiker des Landes jetzt «Leadership und Solidarität» zeigten mit jenen Personen, die durch die Krise ihre Arbeit verlieren und den Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können.
Führungsqualität und Solidarität: Das sind die Merkmale, die Arderns politisches Wirken auszeichnen. Es scheint, als würde sie niemanden vergessen wollen.
Kürzlich erklärte sie mit einem Lächeln den Osterhasen und die Zahnfee für «systemrelevant». Sie dachte dabei an die Kinder und bat sie um Nachsicht, falls der Hase es diesmal an Ostern nicht rechtzeitig zu ihnen schaffe.
Schon früh ein soziales Gewissen
Als ein Rechtsextremist vor einem Jahr einen Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch verübte und 51 Menschen tötete, kündigte Ardern eine Verschärfung des Waffengesetzes in den folgenden zehn Tagen an. Sie setzte dieses innerhalb von sechs Tagen um. Mit einem Kopftuch bekleidet besuchte Ardern Hinterbliebene des Terroranschlags und umarmte sie. Viele Muslime zeigten sich erfreut über diese Geste.
Im vergangenen Jahr setzte Arderns Regierung beim Budget fünf Schwerpunkte: das Einkommen für die indigene Bevölkerung soll angehoben, die Kinderarmut verringert, die häusliche Gewalt besser bekämpft und die psychische Gesundheit vor allem junger Menschen verbessert werden.
Ardern lebte als Kind einige Jahre im kleinen Ort Murupara auf der neuseeländischen Nordinsel. Dort fielen ihr die sozialen Unterschiede auf, die ungleiche Verteilung von Bildung und Wohlstand.
Ardern sagte einmal, dass sie schon früh ein soziales Gewissen entwickelt habe. In einer kleinen Stadt aufzuwachsen, habe sie politisch geprägt: «Ich habe realisiert, dass ich mit Politik jene Dinge verändern kann, die ich um mich herum sehe.»
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