Sprachvirtuosin im PorträtSie musste sich das raue Schweizer Hochdeutsch erst antrainieren
SRF-Moderatorin Anna-Lisa Achtermann wechselt mühelos zwischen zwei Versionen des Deutschen – und Walliser Dialekt. Als sie dies in einem Tiktok-Video öffentlich machte, waren die Reaktionen heftig.
Am Anfang stand dieses kurze Tiktok-Video. Darin fragt SRF-Moderatorin Anna-Lisa Achtermann, ob wir es wüssten: dass sie eigentlich Hochdeutsch spreche – und das rauere Hochdeutsch des Schweizer Radios erst lernen musste.
Achtermann war damals gerade in den Ferien in Lippstadt, einer mittelgrossen Stadt in Nordrhein-Westfalen, wo sie geboren wurde. Im Video, das noch nicht mal 30 Sekunden lang ist, wechselt Achtermann von einem Satz zum nächsten zwischen Hochdeutsch, der Schweizer Radiovariante – und einem reinen Walliserdeutsch.

Eigentlich faszinierend, dass jemand so rasch zwischen den Varianten switchen kann und jede einzelne perfekt beherrscht. Aber in einigen Medien gab es nach der Publikation des Tiktok-Videos kein Halten mehr: «SRF-Moderatorin spricht perfekt Hochdeutsch – das passt ihren Chefs gar nicht», titelte «20 Minuten». Achtermann habe sich für das SRF ihr Hochdeutsch «abgewöhnen» müssen, schrieb der «Blick».
Beni Thurnheer gibt Auskunft
«20 Minuten» doppelte nach und befragte mehrere Expertinnen und Experten, warum das Hochdeutsch, wie es in Deutschland gesprochen wird, für einige Schweizer Ohren störend klingt. Auskunft gaben unter anderem eine Sprachwissenschaftlerin – und Moderator Beni Thurnheer. Mit Achtermann hat niemand gesprochen.
«Im ersten Moment konnte ich es gar nicht glauben, dass ein kleines, harmloses Tiktok-Video so viel auslöst», sagt Anna-Lisa Achtermann ein paar Tage später am Telefon. Und stellt gleich klar: «Das Nachrichtenhochdeutsch von SRF habe ich mir aus Überzeugung antrainiert.» Es gab also keinen Zwang. In einer Nachrichtensendung habe die Information im Vordergrund zu stehen, sagt Achtermann, die seit bald fünf Jahren fürs Schweizer Radio arbeitet. «Wenn ich klar, locker und mit einem leichten Schweizer Akzent moderiere, dann konzentriert man sich auf die Information – und nicht auf mich.»
Auf das Tiktok-Video erhielt Achtermann einerseits positive Reaktionen im Sinne von «Super, wie du das machst, weiter so!», erzählt die Radiomoderatorin. Aber dann habe es auch einige gegeben, die sich fremdenfeindlich äusserten, indem sie mit ihren Ressentiments gegenüber Deutschen nicht zurückhielten: «Ah, ich dachte, du bist Walliserin, jetzt finde ich dich nicht mehr cool», hiess in einer Nachricht, die Achtermann erhielt.
«Als Kind wurde ich öfters ausgelacht, weil ich einen Satz auf Walliserdeutsch begonnen und dann auf Hochdeutsch beendet habe.»
Anna-Lisa Achtermann ist Doppelbürgerin: Sie wuchs in Lippstadt auf und spricht deshalb Hochdeutsch mit einem «westfälischen Slang», wie sie selbst sagt, «das heisst, ich betone alles auf das Ende des Satzes». In die Schweiz gezogen ist Achtermann mit zehn Jahren zusammen mit ihrer Mutter. Ins Wallis. Dort musste sie sprachlich oft unten durch, wie sie selbst sagt: «Als Kind wurde ich öfters ausgelacht, weil ich einen Satz auf Walliserdeutsch begonnen und dann auf Hochdeutsch beendet habe.»
Es wurde nicht einfacher, als sie während der Schulzeit im Wallis öfters umzog – und sie sich damit konfrontiert sah, dass fast in jedem Walliser Dorf ein anderer Dialekt gesprochen wird: «In Zermatt redet man ganz anders als im Goms oder im Saas. Oder im Lötschental. Das führte dazu, dass ich auf gut Deutsch zunächst die ‹Scheissdeutsche› war, dann das ‹Scheissmatti›.»
Sie will Vertrauen in die Medien schaffen
Die Sprache stand also während Achtermanns Schulzeit immer im Vordergrund. Das sollte anders sein, als sie als Radiojournalistin begann. Erst im Oberwallis bei Radio Rottu, dann bei SRF, wo sie heute neben den Nachrichten auch zur Moderations- und Produktionscrew von «Info 3» gehört. Hier sollten die Inhalte im Vordergrund stehen. «So zu sprechen, braucht einfach Training», sagt Achtermann.
Die 29-Jährige investiert noch heute immer wieder Zeit in ihre Aussprache, damit sie nicht in Muster verfällt. Ihr mache das ein Riesenspass, sagt Achtermann – nicht zuletzt, weil Journalismus ihre Leidenschaft sei.
Deshalb hat sie auch ihren Tiktok-Account eröffnet, für den sie in ihrer Freizeit Videos produziert, also ohne dass sie dafür Geld von SRF erhält: Um beim jungen Publikum Vertrauen in die Medien zu schaffen, indem sie zeigt, wie es hinter den Kulissen aussieht. Und in kleinen Porträts von ihren Kolleginnen und Kollegen zeigt, dass dort etwa auch junge Menschen arbeiten – wie Anna-Lisa Achtermann, die mit ihren Tiktok-Videos inzwischen Zehntausende erreicht.
Fehler gefunden?Jetzt melden.