Neue EU-FinanzmarktkommissarinSie muss das Brexit-Chaos der Banken lösen
Mairead McGuinness, Agrarökonomin, reguliert künftig den EU- Finanzmarkt. Sie hat ein volles Programm. Dazu gehört, dass sie die Geldwäscherei mit harten Kontrollen bekämpfen will.

Es war ein Heimspiel, die Abgeordneten waren ihr trotz bohrender Fragen freundlich gesonnen: Mairead McGuinness überstand ihre Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments ohne Probleme. Damit wird die Irin, deren Vorname sich Mahräid ausspricht, neue EU-Finanzmarktkommissarin.
An diesem Mittwoch muss das Plenum des Parlaments ihrer Ernennung noch zustimmen, doch das ist eine reine Formalie: Im Plenum ist die 61-Jährige wohlbekannt, denn sie ist seit 2004 Mitglied des Europaparlaments und seit 2014 dessen Vizepräsidentin. Wie diese Zeitung bereits schrieb, übernimmt McGuinness einen Bereich, in dem auch einige Schweizer Interessen auf dem Spiel stehen. So dürfte die Frage der Börsenäquivalenz für die Schweiz früher oder später auf dem Tisch der EU-Kommissarin landen.
Erste weibliche Absolventin in Agrarökonomie in Dublin
Die Politikerin der christdemokratischen Partei Fine Gael wurde von Irlands Regierung als Kommissarin vorgeschlagen, nachdem Handelskommissar Phil Hogan wegen Verstössen gegen Corona-Regeln zurückgetreten war. Hogans Portfolio übernimmt der lettische Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis, der dafür den wichtigen Finanzmarktbereich an McGuinness abtritt.
Mit Hogan hat die Irin gemein, dass beide aus Bauernfamilien stammen. McGuinness war an ihrer Universität in Dublin 1980 die erste weibliche Absolventin in Agrarökonomie. Sie arbeitete als Agrarjournalistin und Fernsehpräsentatorin, bevor sie 2004 ins EU-Parlament gewählt wurde. Ihr Mann, mit dem sie vier Kinder hat, ist Schafzüchter in Irland. Er bewirtschaftet 70 Hektaren und erhielt im vergangenen Jahr gut 27’000 Euro Agrarsubventionen aus Brüssel, wie die designierte Kommissarin in einem Fragebogen zu möglichen Interessenkonflikten angibt.
Im Parlament beschäftigte sie sich ebenfalls viel mit Agrarpolitik, nicht aber mit Finanzmarktregulierung, wie Kritiker ihrer Nominierung monieren. Bei der Anhörung im Wirtschaftsausschuss am Freitag erwähnte McGuinness daher schon zu Anfang ihrer Rede, dass sie vor 13 Jahren immerhin einen Untersuchungsausschuss zur Beinahepleite eines britischen Versicherers geleitet hat.
«Wir müssen vermeiden, für wichtige Finanzdienstleistungen zu abhängig von einem Drittstaat zu werden.»
Ansonsten zählte sie die vielen Herausforderungen in ihrem Portfolio auf: etwa die Folgen der Pandemie für Bürger, Unternehmen und Banken; den Kapitalbedarf für den grünen Umbau der Wirtschaft; die Tatsache, dass Europas grösster Finanzplatz London nicht mehr zur EU gehört. «Wir müssen vermeiden, für wichtige Finanzdienstleistungen zu abhängig von einem Drittstaat zu werden», sagte die Irin – also vom Nicht-EU-Mitglied Grossbritannien.
Dublin ist auch ein bedeutender Finanzplatz, und pikanterweise fällt es nun in McGuinness' Aufgabenbereich, zu entscheiden, ob die britischen Regeln für Banken und Versicherer gleichwertig zu EU-Standards sind – und wie leicht oder schwer Londons Finanzkonzerne innerhalb der EU Geschäfte machen dürfen.
Harte Kontrollen gegen Geldwäscherei
In der Anhörung versprach die Christdemokratin, sich als Kommissarin für Verbraucherschutz und für harte Kontrollen gegen Geldwäscherei einzusetzen sowie die Kapitalmarkt- und Bankenunion voranzutreiben. Hinter diesen Begriffen verbirgt sich die lang gehegte Vision, einen einheitlichen Markt für Banken- und Börsengeschäfte in Europa zu schaffen, ohne bürokratische Hürden an den Grenzen. McGuinness kündigte an, direkt mit vollem Tempo loszulegen: «Ich für meinen Teil habe es mir nie erlaubt, auch nur einen Moment zu verschwenden in meinen 16 Jahren in diesem Parlament.»
Die Abgeordneten wollten viele Details und Einschätzungen wissen – und sie sprachen den heiklen Punkt an, dass die Finanzmarktkommissarin von einer Regierung nominiert wurde, die Konzerne mit Niedrigststeuern anlockt und sich hier von Brüssel nicht hereinreden lassen will. Die Irin beteuerte, sie werde ihren «nationalen Hut» absetzen, sobald sie das Kommissionsgebäude betritt.
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