Sie passt perfekt in den Plan
Monika Rühl soll Direktorin von Economiesuisse werden. Klar ist: Diese Frau ist alles andere als eine Verlegenheitslösung.
Die Entscheidung des Vorstandsausschusses des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse, Monika Rühl zur Kandidatin für den Direktorenposten der Organisation zu erküren, war keine Überraschung mehr. Schon im Vorfeld ist ihr Name durchgesickert. Doch nicht nur das: Mitglieder des Economie-Vorstands haben auch bereits im Vorfeld anonym gegenüber den Medien kundgetan, weshalb sie die Frau für eine Fehlbesetzung halten würden. Als Generalsekretärin von Bundesrat Schneider-Ammanns Wirtschaftsdepartement machen sie sie offenbar sogar für den Imageschaden durch die Steuerkonstrukte der Ammann-Gruppe und jenen durch die Seco-Korruptionsaffäre mitverantwortlich. Ausserdem hätten sie jemanden mit starker Ausstrahlung gesucht, um den Verband wieder zusammenzuschweissen. Ebenfalls wurde schon bemängelt, dass Rühl stets als Beamtin gearbeitet und nie einen Fuss in die Privatwirtschaft gesetzt habe.
Die Schüsse aus dem Hinterhalt liefern nur einen Hinweis mehr auf den angeschlagenen Zustand des Verbandes. Umso mehr sorgen sie aber dort auch für Ärger: Werner Messmer, Präsident des Baumeisterverbands und Vorstandsmitglied von Economiesuisse, war über die Aussagen seiner Vorstandskollegen äusserst ungehalten: «Ich finde es überaus bemühend, dass einzelne bereits ein Urteil von sich geben, bevor wir gemeinsam über die Kandidatur debattiert haben. Wer das war, reicht am besten seinen Rücktritt aus dem Vorstand ein.»
Zurück zu alter Macht
Die Kritik an der Frau verstellt den Blick auf das, worum es der Economiesuisse-Spitze mit dieser Wahl tatsächlich geht. Sie ist alles andere als eine Verlegenheitslösung. Monika Rühl wurde nicht zur Kandidatin erkoren, weil niemand Geeigneteres vorhanden ist, sondern weil sie perfekt zu den Erneuerungsplänen des Verbands passt. Sie bestehen darin, Economiesuisse wieder zu dem zu machen, was der Verband einmal war.
Der Präsident des Wirtschaftsdachverbands galt einst als achter Bundesrat. Gemessen an der wirtschaftlichen Macht und vor allem auch an der Vernetzung zur und am Einfluss in die Politik war das nicht übertrieben. Verglichen mit dieser Vergangenheit ist der zerstrittene Haufen, der selbst wesentliche und für ihn besonders negative Volksentscheide wie jüngst jene zur Masseneinwanderung nicht mehr kraftvoll abwehren kann, nur noch ein Schatten seiner selbst.
Die Wahl des einstigen Axpo-CEO Heinz Karrer zum Präsidenten des Verbands war der erste Schritt der Strategie, die wieder zu alter Grösse führen soll. Karrer ist ein Mann der Wirtschaft durch und durch. Ihm kann niemand die sogenannte «Arena»-Tauglichkeit absprechen. Die Fähigkeit, in dieser Fernsehdebatte bestehen zu können, ist zum Inbegriff für einen starken Auftritt ganz generell geworden. Und Karrer wird auch die Fähigkeit zugesprochen, die auseinanderstrebenden Interessen im Verband besser als andere unter einen Hut zu bringen.
Keine Karrer-Kopie
Für den Direktorenposten braucht der Verband keine Kopie von Heinz Karrer. Darin besteht das vielleicht wichtigste Missverständnis der internen Kritiker einer möglichen Wahl von Monika Rühl für den Posten. Hier sind ganz andere Fähigkeiten gefragt: Sie lassen sich mit dem Begriff der Diplomatie zusammenfassen: Monika Rühl war viele Jahre als Diplomatin tätig, so zwischen 1998 und 2002 bei der UNO in New York. Um die Rolle des achten Bundesrats wieder spielen zu können, braucht Verbandspräsident Karrer zuallererst beste Kenntnisse und Verbindungen in den Berner Machtapparat. Diese Voraussetzungen erfüllt Monika Rühl geradezu perfekt: Seit Anfang 2011 laufen bei ihr als Generalsekretärin alle Fäden aus dem Wirtschaftsdepartement zusammen, aber auch alle Bundesratsgeschäfte gehen über ihren Tisch. Beim Seco war sie für den heute so wichtigen Bereich der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zuständig und einst diente sie schon Joseph Deiss als persönliche Mitarbeiterin, als der noch Bundesrat war.
An der Spitze von Economiesuisse hat man erkannt, dass die Schwäche des Verbands nicht darin liegt, genügend gut in der Wirtschaft vernetzt zu sein. Not tut vielmehr eine bessere Vernetzung in die Politik und die Administration der politischen Prozesse. Monika Rühl kann sich auf diesem Parkett bewegen. Sie kann die Brücken schlagen, die dem Verband fehlen, die Warnblinker einschalten, wenn eine zu starke Innensicht Gefahren verkennt oder zu frappanten Fehleinschätzungen führt. Sie ist es bereits gewohnt, die Tätigkeit vieler hochqualifizierter Mitarbeiter zu koordinieren, ohne selbst das Licht der Öffentlichkeit zu suchen. Darin würde auch ihr neuer Job bestehen.
Anonyme Heckenschützen
So gut die Wahl auf Monika Rühl für den Direktoratsposten von Economiesuisse auch einleuchtet – ob die Rechnung aufgeht, wieder zu altem Glanz zurückzufinden, ist eine ganz andere Frage. Vor allem weil die Welt eine komplett andere ist als zu Zeiten der alten Grösse, als Economiesuisse noch Vorort hiess, die Globalisierung und internationaler Wettbewerb noch weitgehend Fremdwörter waren, als noch der kalte Krieg geherrscht hat und als sich alle Branchen untereinander noch in allem einigen konnten. Heute die Unternehmen der Schweiz generell auf eine Linie zu bringen, ist viel schwieriger, wie allein die anonymen Heckenschützen aus dem Economiesuisse-Vorstand gegen die Wahl von Monika Rühl noch vor ihrer Nomination zeigen.
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