Sie war der Spielball seiner sexuellen Fantasie
Ein Schweizer setzte ein 14-jähriges Mädchen mit Nacktbildern im Web unter Druck. Später nahm es sich das Leben. Jetzt ist er verurteilt worden.

Wie soll man über einen Fall berichten, der in seiner Entstehung und in seinem Verlauf so vielen Fällen gleicht, über welche die Gerichte in zunehmendem Masse urteilen müssen? Über einen Fall, der aber schliesslich in einer Weise endet, die der Staatsanwalt «aussergewöhnlich und äusserst tragisch» nennt, nämlich damit, dass sich ein 14-jähriges Mädchen das Leben nimmt?
Es ist ein Fall, der vor dem Bezirksgericht Uster im Satz des Anklägers gipfelt: «Das tragische Ende war für den Beschuldigten nicht vorhersehbar.» Soll heissen: Der 30-jährige Schweizer, der wegen mehrfacher sexueller Nötigung, mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind, Nötigung und mehrfacher harter Pornografie vor Gericht steht, kann für den Tod seiner Chatpartnerin nicht verantwortlich gemacht werden. So wird es später auch das Gericht sehen.
Man kann also über diesen Fall nur in einer Weise berichten, die ihn – bei aller Tragik – auf jene Ebene herunterholt, um die es vor Gericht tatsächlich geht: um einen Fall von Sexting, der privaten Kommunikation über sexuelle Inhalte mithilfe von mobilen Nachrichtendiensten. Oder, in seiner verschärften Form, um einen Fall von Sextortion, der sexuellen Ausbeutung, die nicht physische Formen des Zwangs oder des Drucks verwendet, um sexuelle Gefälligkeiten vom Opfer zu erhalten.
Gespräche waren nur mit Google Translate möglich
Begonnen hatte die virtuelle Beziehung zwischen dem Schweizer und der in Finnland lebenden Schülerin im Herbst 2016 mit einem «Hallo», das der Mann in einen Chat setzte. Die Besonderheit dieses Chats ist es, dass einem Teilnehmer irgendeine Person nach dem Zufallsprinzip zugeteilt wird. Ob ein Gespräch zustande kommt und wie lange es dauert, entscheiden die beiden.
Die Kommunikation zwischen den beiden war nicht nur am Anfang sehr unbeholfen. Er schickte ihr eine Nachricht, die Google Translate ins Englische übersetzte. Sie liess sich den englischen Text von Google Translate dann ins Finnische übersetzen. Ihre Antwort ging dann in umgekehrter Weise zurück an ihn.
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Video: Bundesamt warnt vor Sextortion
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Dies hinderte die beiden aber nicht daran, von Oktober 2016 bis Ende des Jahres über den gemeinsamen Chatkanal, später über Whatsapp und den Facebook-Messenger, teilweise auch per Live-Videochat, täglich 30 bis 60 Minuten miteinander in Kontakt zu sein.
Im Verlaufe von drei Monaten schickte er ihr von sich 27 Nacktfotos, auf welchen sein teilweise erigierter Penis in Grossaufnahme zu sehen war. Im Gegenzug verlangte er von ihr ebenfalls Nacktfotos, auf denen die primären und sekundären Geschlechtsteile in aufreizender Pose und ebenfalls in Grossaufnahme zu sehen waren.
Die Veröffentlichung war «allerunterste Schublade»
Sie hatte das zunächst nicht gewollt, aber er hatte sie gedrängt, unter Druck gesetzt, erfundene Geschichten von Vergewaltigungen und Exhibitionismus erzählt. Schliesslich schickte die 14-Jährige elf Fotos dem 16 Jahre älteren Mann. Und der tat, was der vorsitzende Richter in der Befragung des Beschuldigten als «allerunterste Schublade» bezeichnete. Er stellte die Bilder auf ein öffentlich zugängliches Pornoportal und veröffentlichte dazu ihren richtigen Namen.
Er ignorierte ihre Bitte, die Bilder zu entfernen, drohte gar damit, sie ihrer Familie zu zeigen. Dreimal versuchte die junge Frau, den Kontakt zum Schweizer abzubrechen, dreimal gelang es ihr nicht, weil die Furcht, er würde seine Drohung wahr machen, grösser war.
Ende des Jahres forderte sie ihn ultimativ auf, die Bilder auf dem Pornoportal zu löschen, sonst werde sie sich ein Leid antun. Auch das beeindruckte ihn noch nicht. Erst als sie ihm ein Foto schickte, auf dem sie sich ein Messer an den Hals hielt, löschte er ihr Profil innerhalb von zwanzig Minuten.
Mit Beginn des Jahres 2017 ebbte der Kontakt immer mehr ab, bis er im März völlig zum Erliegen kam. Am 16. Juni 2017 nahm sich die 14-jährige Finnin das Leben.
Wenn er erregt war, war ihm der Rest egal
Vor dem Bezirksgericht gab der 30-Jährige, der zwischen 2010 und 2013 wegen sexueller Handlungen mit einem Kind und der Verbreitung von Pornografie dreimal per Strafbefehl zu Geldstrafen verurteilt wurde, Einblick in sein damaliges Denken. Kurzform: Wenn der Penis denkt, stellt das Gehirn ab. Er habe sie jeweils zu Fotos gedrängt, wenn er erregt gewesen sei. Der Rest sei ihm egal gewesen.
Er habe sich nie Gedanken gemacht, was sein Verhalten auslösen könne. Er habe gemeint, dass das alles gar nicht so schlimm sei. Denn «bisher gabs dafür nur Geldstrafen». Vor allem aber sei ihm nicht bewusst gewesen, «welche Probleme auf der anderen Seite vorhanden» sein können. Erst jetzt, im Laufe der Therapie, die er begonnen hat, habe er «gemerkt, welche Auswirkungen das haben kann». Er habe jeden Pornokonsum eingestellt und sämtliche Onlineprofile von sich gelöscht.
Bezirksgericht erhöhte die beantragte Strafe massiv
Während der Staatsanwalt eine unbedingte Freiheitsstrafe von 24 Monaten beantragte, die zugunsten einer ambulanten Massnahme aufgeschoben werden soll, forderte der Verteidiger eine bedingte Strafe von 12 Monaten und den Verzicht auf eine ambulante Massnahme.
Zur Überraschung aller verurteilte ihn das Gericht zu einer Freiheitsstrafe von 42 Monaten, blieb die genaue Begründung dafür aber schuldig. Er habe das Mädchen «zum Spielball seiner Fantasie gemacht, ihre Ohnmacht schamlos ausgenützt und dem Mädchen die letzten Lebensträume geraubt».
Gestützt auf das psychiatrische Gutachten, wurde die Strafe zugunsten einer ambulanten Massnahme aufgeschoben. «Es wird höchste Zeit, dass aus Ihnen etwas Rechtes wird.»
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