Nachruf auf Raquel WelchSie war nicht die nette Barbie
Ein Fellbikini machte sie weltberühmt, danach drehte Raquel Welch mit den grössten Stars ihrer Zeit und emanzipierte sich vom Pin-up-Image: Zum Tod einer Hollywood-Ikone.

«A Good Man Is Hard to Find ...», betitelte 1997 die «New York Times» eine Kritik zu «Victor/Victoria», der Broadway-Version des tollkühnen Gender-Geniestreichs von Blake Edwards über eine Frau, die sich in den Dreissigern in Paris als Mann verkleidet, der als Frauenverkörperer sagenhafte Erfolge feiert. Julie Andrews zog das 1982 fantastisch durch für ihren Mann Blake Edwards, Raquel Welch versuchte sich dann damit am Broadway, mit weniger Erfolg.
Mann oder Frau, das war schon die Frage in «Myra Breckinridge» gewesen, 1970, der Verfilmung des Romans von Gore Vidal, über einen Mann, der sich zu einer Frau umoperieren lässt. Und das muss natürlich die aufregendste der Welt sein, Raquel Welch, und sehr, sehr amerikanisch. Der Film war grell und übertrieben und ein katastrophaler Misserfolg, Welch und ihr Co-Star Mae West, die erotische Diva der Dreissigerjahre, kamen nicht aus miteinander: Sie ähnele einem Hafenarbeiter in Drag, meinte Welch. Und hoffte, dass irgendwann jemand die Eier haben würde, Vidals Roman so zu verfilmen, wie er geschrieben war. Als Studie dazu, wie Geschlecht fabriziert wurde in der modernen Welt.
Auch die «New York Times» war angetan: «A marvelous breathing monument to womankind.»
Raquel Welch wurde geboren am 5. September 1940 in Chicago, als Jo Raquel Tejada, ihr Vater war ein bolivianischer Ingenieur. Von Anfang an hat sie sich bemüht, nicht als Latina typisiert und verkauft zu werden, das macht ihre Rollen angenehm apart.

Weltberühmt wurde sie 1966 mit einem Film aus den legendären Hammer-Studios: «Eine Million Jahre vor unserer Zeit» von Don Chaffey, einem der Routiniers der britischen Filmfirma, die in den Sechzigern fantastisch und erfolgreich Horror, Science-Fiction und Fantasy am Fliessband produzierte. Der Film spielt in sagenhafter Urzeit, Raquel Welch posiert mit Dinosauriern, hat nicht mehr als ein halbes Dutzend Sätze Dialog, aber einen zweiteiligen Fellbikini, der sie sofort zum Super-Pin-up-Girl macht. Auch die «New York Times» war irgendwie angetan: «A marvelous breathing monument to womankind.»

Profil gewann sie nicht in ihrer Filmkarriere, sie hatte wenig markante Rollen, wurde meist beliebig und manchmal leider auch eher lieblos eingesetzt, zumal in Europa. Zum Beispiel 1967, in «Das älteste Gewerbe der Welt», einem Episodenfilm über Prostituierte zwischen Arbeit und Träumen, in dem man erlebt, was alte und junge Regisseure schon immer von Sex zeigen wollten, darunter auch Jean-Luc Godard. Welch spielt Fräulein Nini in Berlin, die Kaiser Wilhelm hinterher ist und es deshalb mit Männern wie Martin Held und Siegfried Schürenberg zu tun kriegt.
In all ihren Filmen hat Raquel Welch nie die wohlgefügte Barbie-Sterilität anderer Pin-ups zelebriert.
In der «Faust»-Travestie «Bedazzled» von 1967 ist sie schlicht und einfach Lillian Lust. 1973 und 1974 war sie in «Die drei Musketiere» und dann in «Die vier Musketiere» zu sehen, 1977 spielte sie in «L’Animal», mit Jean-Paul Belmondo.

In all ihren Filmen hat Raquel Welch nie die wohlgefügte Barbie-Sterilität anderer Pin-ups zelebriert, und ihre melancholisch-herbe Schönheit wirkt besonders kräftig, wenn sie in Western entschlossene und selbstbewusste Frauen verkörpert, in «Bandolero», mit James Stewart und Dean Martin, «100 Gewehre» mit Burt Reynolds und dem Afroamerikaner Jim Brown, mit dem sie im Jahr 1969 eine Liebesszene hatte, das war im konservativen, durchaus noch rassistischen Hollywood ein Einschnitt.

«Oh, come on!», begann die «New York Times» ihre Kritik zu Raquel Welch als Victor/Victoria. In dem schönen Film «Die phantastische Reise», 1966, von Richard Fleischer ist sie eine Medizinerin, die mit ein paar Kollegen stark verkleinert wird und einem angeschossenen Diplomaten injiziert wird, um ein Blutgerinnsel von innen her zu operieren.
Die Innenwelt der Blutbahnen ist absolut fantastisch, Raquel Welch trägt wie die andern auch einen weissen Taucheranzug, und einmal wird sie urplötzlich von fiesen Antikörperchen attackiert, die ihren Körper umschlingen, und ihr Partner Stephen Boyd muss schnell und kräftig rubbeln, um die schnell wieder loszubringen, bevor sie der Kollegin den Garaus machen, eine grosse Science-Fiction-Komödie.
Am Mittwoch ist die Schauspielerin Raquel Welch nach kurzer Krankheit im Alter von 82 Jahren in Los Angeles gestorben.
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