Skispringerinnen übergangenSie wollen doch nur Schanzengleichheit
Die Einführung einer Vierschanzentournee der Frauen wird seit Jahren versprochen – bis jetzt sind es leere Worte geblieben. Die Stimmung bei den Athletinnen wird schlechter.

Die für den nächsten Winter angekündigte Skisprung-Premiere wurde beinahe beiläufig gestrichen. Eine Vierschanzentournee für Frauen? So was soll es nun doch frühestens zur Saison 2024/25 geben, sagte Österreichs Ski-Präsidentin Roswitha Stadlober bei einem Pressetermin, bei dem es um das Silvester-Turnier in Villach und Ljubno ging. Was zunächst klang wie eine Randnotiz, löste bei den Athletinnen Verärgerung und Irritation aus.
Die Einführung eines Silvester-Turniers rund um den Jahreswechsel ist für viele der Skispringerinnen zwar ein weiterer Schritt. Aber es ist eben nicht die seit Jahren angestrebte Tournee, bei der die Männer in diesen Tagen zum bereits 71. Mal riesige Aufmerksamkeit bekommen. Und auf Normalschanzen in Villach und im slowenischen Ljubno zu springen statt in den grossen Arenen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen, fühlt sich auch eher an wie Beiprogramm statt echter Eingliederung.
Die Olympiasiegerin verzichtet
Entsprechend bedient sind die Springerinnen, deren Kampf um «Schanzengleichheit» rund um die Tournee alljährlich besonders interessiert. Die deutsche Spitzenspringerin Luisa Görlich äusserte ihren Unmut offen. «Die Wettkämpfe in Titisee und Lillehammer haben vor Ort und an den TV-Schirmen gezeigt, dass die Zeit reif ist für eine Vierschanzentournee der Frauen. Vor diesem Hintergrund ist es eine Unverschämtheit, im Zeitalter der Gendergerechtigkeit, die Entscheidung auf eine eigene Tour wieder verschoben zu haben!», schrieb Görlich in ihrer Kolumne auf Sport.de.
Olympiasiegerin Maren Lundby spendete via Twitter Applaus und stimmte den klaren Worten zu: «Es ist Zeit, die Frauen zur Vierschanzentournee zu bringen.» Anstatt nun bei der «Ersatzveranstaltung» in Villach und Ljubno an den Start zu gehen, bevorzugt es die Norwegerin, in ihrer Heimat zu trainieren.
In Konsens ist die Einführung einer Frauen-Tournee im Skisprungkosmos eigentlich seit Jahren. Schon vor der Corona-Pandemie trafen sich die Präsidenten der Skiclubs mit den nationalen Skiverbänden und den Rechteinhabern, um an Lösungen zu arbeiten. Dann kamen zwei Winter ohne Zuschauer, und das Projekt rückte in den Hintergrund.
Nun kehren 25’000 Fans und damit die Normalität zurück nach Oberstdorf, wo die Tournee traditionell beginnt. Aber nur für die Männer – Frauen werden am Donnerstag nicht von der Schanze in Süddeutschland springen. Und das wird aller Voraussicht nach auch im kommenden Winter so sein, wenn man den Worten von ÖSV-Präsidentin Stadlober glauben darf. Sie erklärte den Aufschub so: Es gebe «noch viele zu berücksichtigende Faktoren, die eine frühere Einführung nicht ermöglichen».
Dabei war im April eigentlich alles klar gewesen. Die Verbände in Deutschland und Österreich teilten mit: Die Frauen-Tournee kommt, schon 2023/24 soll die Premiere anstehen. In Deutschland sollten die Stationen Oberstdorf und Garmisch umgekehrt werden, in Österreich wollte man die eineinhalb Jahre nutzen, «um gemeinsam mit allen Stakeholdern alle offenen Fragen und die jeweiligen Rahmenbedingungen zu klären». Das hat sich nun erst mal zerschlagen.
Erstmals ein Frauen-Springen in Polen
An anderen Stellen des Kalenders klappt das mit der Einbindung der Frauen besser. FIS-Rennleiter Sandro Pertile berichtete vor Saisonbeginn auf Matten in Wisla, wie es der Weltverband geschafft habe, Polen erstmals Frauen-Weltcupspringen organisieren zu lassen. «Unsere Abmachung mit den Polen war: Ihr spart das Geld für die Energie, dafür investiert ihr das Geld in die Frauen. Das ist eine super Lösung», sagte Pertile. Für eine Tournee der Skispringerinnen scheint eine solche Lösung bislang nicht in Sicht.

DPA
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