Sie zeichnet komische Sachen
Manchmal wäre sie gern ein gruusiger alter Mann: Die 22-jährige Simone Baumann macht kompromisslos düstere Comics.

Das Shirt, die Jeans, die Doc Martens: alles schwarz. Sogar den Espresso trinkt Simone Baumann schwarz, als wir uns zum Gespräch treffen in der Galerie, in der sie jetzt zum allerersten Mal ausstellt. Im Doppel mit Thomas Ott, dem Schweizer Meister des Comic Noir. Das kam so: Vor zwei Jahren, da war sie 20, gewann sie das Zürcher Comicstipendium.
Am Comicfestival Fumetto in Luzern durfte sie ihre Hefte auflegen, wo Ott eins kaufte – und ihr noch am gleichen Tag ein Mail schrieb. «Also ging ich mal in seinem Atelier vorbei, lieh mir ein paar Bücher aus, wir fanden uns noch nett und blieben in Kontakt.» Als Galerist Stephan Witschi seinen Stammkünstler Ott fragte, ob er nicht mal im Duett mit einem Kollegen ausstellen wolle, schlug Ott Simone Baumann vor.
«Nun bin ich halt eine von denen, über die meine Mutter sagt, sie hätten zu viel Zeit, um über komische Sachen nachzudenken.»
Als Ott selbst zum ersten Mal Arbeiten zeigte, hatten die Zürcher noch nicht kapiert, dass Comic Kunst ist. Und Baumann? Kam da gerade in den Chindsgi, zu Hause in Horgen. Ein recht uncooler Ort, findet sie: «Als Teenager hab ich mich umgesehen und dachte plötzlich ‹ui, nei›.»
Mit 18 zog sie nach Zürich, allein. Da hatte sie das Gymi schon geschmissen, die Eltern hatten wenig Freude. «Nun bin ich halt eine von denen, über die meine Mutter sagt, sie hätten zu viel Zeit, um über komische Sachen nachzudenken.» Vielleicht erklärt das, warum ihre fiktiven Alltagsszenen zum Düsteren neigen. «Dabei zeichne ich eigentlich nur, was ich um mich herum wahrnehme. Bloss würde das bei jemandem, der fröhlicher ist, wohl weniger missmutig aussehen.»

Verwendet sie darum keine Farbe? «Nein, das hatte pragmatische Gründe: Meine ersten Arbeiten waren bunt. Die reproduzieren zu lassen, war aber so teuer, dass ich auf Schwarzweiss umstieg.» Seither zeichnet sie mit Feder und Tusche. Klingt romantisch, ist aber vor allem praktisch: «Filzstifte trocknen zu schnell aus. Furchtbar!»
Seit drei Jahren bringt Baumann ein Magazin raus. Die rund 30 Abonnenten erhalten alle sechs Wochen ein A5-Heftchen mit 20 vollgezeichneten Doppelseiten zugeschickt. Der Titel? 2067. «In jenem Jahr werde ich 70. Ich schätze mal, das wird mein Todesjahr. So lang soll es das Heft geben.» Sie vertreibt es analog; das Digitale interessiert sie nicht. Bildschirme meidet sie («Ich habe als Kind zu viel ferngesehen»), lieber arbeitet sie auf Papier; meist hört sie Nick Cave dazu.
Ihre Lieblingsgeschichten: «von gruusigen alten Männern»
Und nach Feierabend noch einen Abstecher ins Museum? Nö: «Wenn man den ganzen Tag vor den eigenen Blättern sitzt, mag man sich nicht noch das Zeug der andern ansehen.» Lieber lesen. Zum Beispiel Bukowski; am liebsten Geschichten «von gruusigen alten Männern».
Manchmal wäre sie gern selbst einer: Als solcher werde man wenigstens ernst genommen. «Grade wenn man morbide Sachen macht, wird das einer Frau viel stärker persönlich ausgelegt. Als könnte eine Frau sich so was nicht ausdenken, als könnte sie nur malen, was sie tatsächlich fühlt. Quatsch!»
Und wenn die Ideen mal nicht kommen? Setzt sie sich dann auf eine Bank und beobachtet Menschen, um sich inspirieren zu lassen? Simone Baumann lacht schallend. «Ich bekomme genug Input, wenn ich nur schon auf den Bus warte.» Wie sieht es mit Vorbildern aus? «Wenn überhaupt, dann Leute, die ihre Kunst nicht machen, um die Kohle, die sie damit verdienen, auf Ibiza zu verbraten.» Und was ist gute Kunst? «Die entsteht, wenn man meint, was man macht. Egal, ob sich jemand dafür interessiert oder nicht.»
Galerie Stephan Witschi Zwinglistr. 12 (Innenhof) Vernissage in Anwesenheit von Simone Baumann und Thomas Ott: Fr 3.5. 18 Uhr Bis 1.6. Mi–Fr 14–18 Uhr, Sa 13–17 Uhrwww.stephanwitschi.ch
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch