Skifahrer, bitte lächeln!
Viele Bergbahnen fotografieren ihre Kunden beim Passieren eines Drehkreuzes. Im Engadin sind sogar Geräte im Einsatz, die automatisch Gesichter vergleichen.

Wer wird fast so häufig fotografiert wie Hollywoodstars bei der Oscarverleihung? Richtig: Skifahrer und Snowboarderinnen in den Schweizer Bergen. Viele von ihnen wissen nicht, dass sie in zahlreichen Skigebieten an jedem Drehkreuz abgelichtet werden. Das Bergbahnpersonal kann diese Kontrollfotos mit dem in der Abonnementsdatenbank abgelegten Referenzfoto vergleichen und so überprüfen, ob es sich beim Skifahrer tatsächlich um den Inhaber des Abos handelt. Denn Skipässe sind in der Regel nicht übertragbar.
Die Billettkontrollen sind neuerdings auch zeitversetzt möglich: In Zeiten mit hoher Besucherfrequenz können die Bahnen sie weglassen und später anhand der gespeicherten Bilder nachholen. «Alle Kontrollfotos des aktuellen Tages stehen zum Vergleich zur Verfügung. Aus der Vergangenheit werden pro Tag das erste und das letzte Kontrollfoto aufbewahrt», schreibt die österreichische Firma Skidata im Internet über ihr Produkt namens Photo Compare (Fotovergleich). Das Unternehmen der Kudelski-Gruppe ist zusammen mit der Firma Axess Marktführer bei Zutrittskontrollsystemen für Freizeitanlagen.
Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger hat Verständnis, dass sich die Bergbahnen besser vor Missbrauch schützen wollen.
Bis vor kurzem war meist nur ein einziges Foto nötig. Es wurde beim Abokauf «geschossen», zentral gespeichert und erschien auf dem Bildschirm des Personals, wenn der Skifahrer ein Drehkreuz passierte. Die Kontrolle musste somit «live» erfolgen und konnte nicht aufgeschoben werden. Weil das Personal primär für einen reibungslosen Betrieb der Anlage und die Sicherheit der Benützer sorgen muss, blieb für Kontrollen oftmals zu wenig Zeit.
Gesichtsfotos erst ab drei Tagen
Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger hat Verständnis, dass sich die Bergbahnen besser vor Missbrauch schützen wollen. Das moderne System mit den Kontrollfotos macht ihm aber Sorgen: «Überspitzt gesagt, werden sämtliche Skifahrer einem Generalverdacht unterstellt und Daten auf Vorrat gespeichert, was unter datenschutzrechtlichen Aspekten stets heikel ist.» Er hat deshalb Regeln publiziert, an die sich Bahnbetreiber halten sollten:
Bei Karten mit einer Gültigkeitsdauer bis drei Tage sollten weder Fotos gemacht noch Personalien aufgenommen werden. Ist eine Karte länger als drei Tage gültig, sind Gesichtsfotos zulässig, bei Saison- und Jahreskarten auch das Speichern der Personalien.
Die Bahnen dürfen die Daten nur so lange behalten, wie sie sie für das Aufdecken von Missbrauchsfällen tatsächlich brauchen. Ist die Gültigkeitsdauer einer Karte abgelaufen, sind sie zu löschen.
Die Daten dürfen nur für Zutrittskontrollen verwendet werden. Für den Versand von Werbung müssen die Bahnen die Einwilligung der Kunden einholen.
Die Kontrollbildschirme sind so aufzustellen, dass nur das Personal Einsicht hat. Auf den Bildschirmen dürfen nur Fotos erscheinen, keine Personalien.
Die Kunden müssen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie vor Ort mit gut sichtbaren Hinweisschildern informiert werden, wenn sie an den Drehkreuzen fotografiert werden.
So weit, so klar. Doch wie halten es grosse Schweizer Skistationen mit diesen Regeln – und welche Kontrollsysteme setzen sie überhaupt ein? Der TA hat bei sechs Bergbahnen nachgefragt:
In Arosa/Lenzerheide ist bei den Haupteinstiegen in Churwalden und an der Talstation Rothorn das erwähnte System im Einsatz, das die Schneesportler bei jedem Eintritt fotografiert und dem Personal auch nachträglich einen Vergleich mit dem Referenzfoto erlaubt. Überdies wird bei allen Anlagen mittels unterschiedlichen Tons und Blinklicht angezeigt, ob ein Skifahrer ein Ticket für Erwachsene oder für Kinder/Jugendliche benützt. Ein Sensor schlägt Alarm, wenn jemand ab einer bestimmten Körpergrösse mit einer Kinderkarte unterwegs ist. Arosa/Lenzerheide sammelt die Bewegungsdaten der Kunden und wertet sie anonymisiert aus.
Wie vom Datenschützer verlangt, wird hier nur fotografiert, wer ein Ticket für drei Tage oder mehr kauft. Allerdings werden die Daten dauerhaft gespeichert. «Da wir die Daten nur für interne Zwecke verwenden, sehen wir diesbezüglich kein Problem», schreibt Mediensprecherin Marlen Schwarz. Pro Jahr würden 10 bis 15 Missbrauchsfälle aufgedeckt, etwa die Hälfte davon dank der technischen Hilfsmittel, der Rest durch Stichproben. Lohnt sich angesichts dieser geringen Zahl der finanzielle Aufwand für das elektronische System? Dieses diene primär der Prävention, erklärt Schwarz: «Allein das Vorhandensein bewirkt erfahrungsgemäss eine Reduktion von Missbrauchsfällen.»
Mit einem praktisch identischen Zutrittssystem versucht der Walliser Skiort Saas-Fee, unehrliche Skifahrer herauszufiltern. Nur in grösserem Stil: Hier sind alle 21 Anlagen damit ausgerüstet. Im Gegensatz zu Arosa/Lenzerheide wird der Gast aber erst ab einer Abodauer von sieben Tagen fotografiert. Die Weitergabe eines Tickets an die folgende Person verhindern die Bahnen, indem jedes Billett nach Gebrauch für eine Viertelstunde gesperrt wird. Mediensprecherin Monika Kessler schätzt, dass trotzdem nur etwa zwei Prozent aller Missbräuche entdeckt werden.
«Signifikante Missbrauchsrate»
Einen Schritt weiter geht die Skiregion Engadin/St. Moritz. An zwei Zugängen zum Gebiet Corviglia werden sogar Besitzer von Tageskarten fotografiert. Nicht nur das: Das System macht automatisch einen Abgleich der Bilder. Die hochmodernen Geräte erkennen, wenn zwei Personen dieselbe Karte benützen. Biometrische Abgleiche in Skigebieten beurteilt der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte skeptisch. Sein Sprecher Francis Meier sagt: «Wir raten davon ab, Gesichtserkennungstechnologien im Freizeitbereich einzusetzen, da es zu einem unverhältnismässigen Eingriff in die Persönlichkeit der betroffenen Personen kommt.»
Davon will Richard Adam, Marketingleiter der Engadin St. Moritz Mountains AG, nichts wissen: Es handle sich um «Fotos ohne Personalien», die über Nacht gelöscht würden. Die Technologie sei seit letztem Winter im Einsatz und habe eine «signifikante Missbrauchsrate» aufgezeigt. «Der Schwarzhandel angefahrener Tageskarten auf dem Parkplatz ist das eigentliche Momentum, das uns zur Abwehr von Missbrauch nötigt», klagt Adam. Bei Saisonkarten und Tageswahlabos gebe es für das Löschen der Fotos und Personalien «keinen definierten Zyklus».
Nur einmal fotografiert werden Schneesportler in Zermatt – und auch das nur, wenn sie ein Abo für mehr als eine Woche lösen. Dann erscheint ihr Bild beim Passieren eines Drehkreuzes auf dem Bildschirm des Bahnpersonals zur Kontrolle. Zudem leuchten verschiedene Blinklichter, je nachdem, ob jemand mit einem Ticket für Erwachsene, Jugendliche oder Kinder unterwegs ist. In Zukunft könnten aber auch die Zermatter Bergbahnen auf ein System mit Fotovergleich umsteigen. «Wir sind gerade in der Evaluierungsphase», verrät Sprecherin Valérie Perren.
Die Bergbahnen von Davos/Klosters und von Flims/Laax wollten die Fragen des TA nicht beantworten. Da sich die modernen Kontrolltechnologien rasant verbreiten, ist es gut möglich, dass Skiliftbenützer auch an diesen Orten regelmässig abgelichtet werden.
Die Kundeninformation über die ausgedehnten «Fotoshootings» lässt vielenorts zu wünschen übrig. Entgegen den Vorgaben des Datenschützers findet sich darüber etwa in den Geschäftsbedingungen der Bahnen von Arosa/Lenzerheide oder Saas-Fee kein Wort. Positiv hingegen das Kleingedruckte von Engadin/St. Moritz: «Es wird darauf hingewiesen, dass zum Zweck (...) der Zutrittskontrollen Foto- und Videoaufnahmen erstellt werden können.» Zudem würden die Gäste an den betreffenden Zugängen durch Schilder informiert, versichert Marketingchef Richard Adam.
So viel kostet Ticketmissbrauch: Ab Mittwoch auf rechtundkonsum.tagesanzeiger.ch
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