
Kanton und Stadt Zürich zählen zu den staureichsten Gegenden der Schweiz, das wollen die SVP und der Gewerbeverband ändern. Sie haben deshalb eine Anti-Stau-Initiative lanciert, in der sie Strassenkapazitäten verlangen, welche der Nachfrage entsprechen. Somit müsste überall dort, wo sich regelmässig Staus bilden – in der Allmend Brunau oder in Wetzikon –, verbreitert und ausgebaut werden. Zudem müsste man die Kapazität der Zürcher Strassen etwa alle fünf Jahre um weitere 10 Prozent erhöhen, denn so stark wächst der Bestand an Motorfahrzeugen.
Dass diese Forderung unerfüllbar ist, haben die Initianten inzwischen eingesehen. Sie haben ihr Volksbegehren zurückgezogen – zugunsten eines Gegenvorschlages aus dem Kantonsrat. Er verlangt zwar nur noch, dass die Verminderung der Leistungsfähigkeit einer Strasse im umliegenden Strassennetz «mindestens» auszugleichen ist. Doch den Titel «Anti-Stau» führt die Vorlage immer noch. Mit diesem Schlagwort wird der Stimmbürger in die Irre geführt. Denn mit dem neuen Verfassungsartikel würde keine einzige Stauminute verhindert. Er ist nur ein Placebo für verärgerte Autofahrer im Stau und verhindert erst noch eine intelligente Steuerung der Mobilität. Das gilt speziell für dicht besiedelte Agglogemeinden und Städte, wo der Strassenraum beschränkt ist und nicht erweitert werden kann. Die Einrichtung von neuen Velostreifen oder Busspuren wird so in den Städten praktisch unmöglich.
Die Autofahrer mögen einwenden: Velo und Bus brauchen auch nicht mehr Platz. Damit liegen sie aber falsch. Velo und Bus sind im urbanen Gebiet bessere Verkehrsmittel als Privatautos, weil sie viel weniger Platz pro Person brauchen, weil sie weniger Lärm verursachen und erst noch umweltfreundlicher sind.
Mobilitätsverhalten überdenken
Die Stadt Zürich bremst den Autoverkehr an den Stadträndern, das ist für Automobilisten ärgerlich. Könnten sie hingegen ungehindert in die enge Stadt fahren, würden sie dort erst recht stecken bleiben. Anschauungsbeispiele gibt es genügend, etwa in Los Angeles, wo der Autoverkehr in der Rushhour auch auf den dreifach so breiten Strassen mitten in der City regelmässig zum Stillstand kommt. Wers nicht glaubt, kann auch mal mit dem Auto nach Rom fahren. Autofahrer, die wirklich intelligent sind, stimmen Nein zur Anti-Stau-Initiative, und vielleicht überdenken sie ihr Mobilitätsverhalten. Auf zwei Rädern oder mit dem Tram kommen sie in der Stadt ohnehin schneller vorwärts. Zudem steigt ihre Lebensqualität in Zürich, wenn sie sich nicht immer zwischen stehenden Autos hindurchzwängen müssen, und auf den Strassen bleibt mehr Platz für Gewerbetreibende, die aufs Auto wirklich angewiesen sind. Dieses Umdenken hat bei den Bewohnern in den Städten längst eingesetzt. Die Zahl der eingelösten Autos ist im Kanton nirgends so tief wie in Zürich. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Einwohner sechsmal stärker gestiegen als jene der Autos.
Glücklich werden die Automobilisten mit diesem Verfassungsartikel auch aus finanziellen Gründen nicht. Denn wir erhöhen nicht nur die Ausgaben in den Strassenbau, sondern konkurrenzieren auch noch unseren Verkehrsverbund. Für den ZVV zahlen wir heute jedes Jahr über 350 Millionen Steuerfranken. Eine Investition, die sich auszahlt: Der ZVV befördert uns heute im Viertel- oder Halbstundentakt durch den Kanton und im Minutentakt durch die Stadt. Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn wir diese Errungenschaft gefährden, indem wir im dicht besiedelten Kanton Zürich wieder vermehrt aufs Auto setzen.
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So etwas machen Schildbürger
Mit dem Gegenvorschlag zur Anti-Stau-Initiative wird niemand glücklich.