
Als neulich die Horizon-Box schon wieder einen Aussetzer hatte, riss mir der Geduldsfaden endgültig: Ich erkundigte mich bei der UPC (früher Cablecom) nach der Kündigungsfrist meines Abos und setzte nach der prompten Antwort – zwei Monate, jeweils per Ende Monat – das Schreiben zur Vertragsauflösung auf.
Die UPC versorgte unseren Haushalt seit Jahren mit Kabelfernsehen, einer Festnetz-Rufnummer und schnellem Internet. Alle drei Dienste aus einer Hand zu beziehen, ist komfortabel. Alles funktioniert einfach und so, wie man es sich seit Jahren gewohnt ist.
Doch es gibt auch eine Kehrseite: Man muss sich mit den Geräten herumschlagen, die einem der Anbieter zur Verfügung stellt. Und vor allem zahlt man auch für Dienste, die man selten oder nie nutzt. In unserem Haushalt spielen längst Netflix und Spotify die erste Geige. Als Fernseh- und Radioempfänger fristet die Horizon-Box ein Schattendasein. Dennoch haben wir Monat für Monat auch dafür bezahlt. Insgesamt markant über 100 Franken.
Die Alternative: Glasfaser
Da unser Quartier in Winterthur inzwischen mit Glasfaser erschlossen ist, liegt die Alternative auf der Hand. Sie heisst «Fiber to the Home» und bringt die schnelle Faser bis in die Wohnung. Die rasante Verbindungsgeschwindigkeit von 1 Gigabit pro Sekunde steht nicht nur beim Herunterladen, sondern auch beim Hochladen zur Verfügung. Das ist ein Vorteil gegenüber ADSL, wo Uploads deutlich langsamer erfolgen. Das merken aber typischerweise nur die Nutzer, die ab und zu ein grosses Video zu Youtube hochladen oder via Internet grosse Datenmengen sichern.
Für den neuen Anschluss muss in unserer Wohnung eine Glasfaserdose installiert werden. Die prompt aufgebotenen Installateure haben das in einer Stunde erledigt. Unser neuer Provider ist der Winterthurer Internetanbieter Init7, der den Zuschlag deswegen erhielt, weil sein Angebot maximal simpel ist: 777 Franken kostet es im Jahr, und dafür gibt es Internet – und sonst nichts. Das Fernsehangebot des Providers ist optional, ebenso ein neuer Router. Die eigene Hardware zu benutzen, wird bei der Bestellung als normale Option angeboten.
Spass mit dem Bastel-Router
Bei der UPC ist ein eigener Router nicht zulässig. Andere Provider wie die Swisscom sind nicht so strikt, weisen Kunden aber nicht aktiv auf ihre Wahlfreiheit hin. Ich jedenfalls schätze es, endlich mit dem Turris-Omnia-Router experimentieren zu können. Dieser wurde 2016 über eine Crowdfunding-Kampagne finanziert. Er gilt als «Bastel-Router» und gibt maximale Konfigurationsfreiheit. Selbst die Lämpchen kann man konfigurieren: Wenn einen das Geblinke bei Netzwerkaktivität stört, schaltet man es einfach ab.
Der Router ist über eine Art Store erweiterbar. Mit einer externen Festplatte bestückt, arbeitet er beispielsweise als Heimserver. Dafür muss man sich allerdings mit dem offenen Betriebssystem Linux herumschlagen, das in einer angepassten Version auf dem Router läuft.
Ohne das «Drei in eins»-Angebot fällt die Versorgung übers TV-Kabel weg. Um die «Tagesschau» und den sonntäglichen «Tatort» künftig ins Wohnzimmer zu bringen, verwenden wir nun den Apple TV. Als beste App für Apples Fernsehbox entpuppt sich Teleboy. Die Bildqualität ist zwar minimal geringer als bei der UPC. Aber die Bedienung erfolgt viel flüssiger als bei der ungeliebten Horizon-Box der UPC. Und mit 137 Fernsehsendern stellt Teleboy auch notorische Zapper zufrieden.
Fernsehaufzeichnungen herunterladen
Für die Nutzung mit Apple TV ist das «Comfort»-Abo nötig, das 115 Franken im Jahr kostet. Über die Replay-Funktion hat man Zugriff auf die letzten 7 Tage des vergangenen Fernsehprogramms, und über die Aufnahmefunktion kann man Sendungen auch dauerhaft speichern. Die Aufzeichnungen (maximal 1000 Stunden) liegen auf den Servern des Anbieters und werden zum Ansehen aufs Tablet, Smartphone oder den PC heruntergeladen. Am Computer verwendet Teleboy mit MP4 ein Standardformat, das sich mit jeder gängigen Software abspielen lässt.
Bleibt als letzte Herausforderung der Telefonanschluss. Natürlich stellt sich die Frage, ob es das Festnetz überhaupt noch braucht. Für viele Leute reicht das Handy völlig aus. Da wir für Famillie und Freunde im Ausland günstig erreichbar bleiben möchten, kommt das für uns nicht infrage. Doch weil wir Anrufe oft per Skype abhalten, soll es eine Lösung ohne Grundgebühr sein.
Keine Telefon-Grundgebühr
In der Schweiz gibt es diverse sogenannte Voip- oder Sip-Dienstleister. Das erste Kürzel bezeichent «Voice over IP», die technische Bezeichnung für die Internettelefone. Das zweite steht für ein offenes Protokoll fürs Telefonieren via Netz. Voip-Anrufe laufen nicht über die Telefondose, sondern über den Router. Sie sind in der Schweiz bald der Normalfall. Die Swisscom will alle Anschlüsse bis Ende Jahr auf Voip umrüsten.
Wir entscheiden uns für Guest-voip.ch, da eine Rufnummerportierung möglich ist. Das heisst: Wir bleiben unter der bekannten Telefonnummer erreichbar. Die Portierung, für die wir uns bei der Anmeldung mit einer Ausweiskopie identifizieren müssen, kostet 50 Franken. Abgesehen davon fallen künftig nur die effektiven Telefongebühren an.
Das vorhandene Telefon lässt sich mit dem neuen Anbieter nicht nutzen. Als Voip-Nutzer könnte man auf ein Telefon verzichten und stattdessen ein Softphone verwenden. Das ist ein PC-Programm oder eine Smartphone-App, das die Anrufe abwickelt. Wir wollen – mehr aus Gewohnheit als aus Notwendigkeit – auf ein Extragerät nicht verzichten. Wir schaffen daher das Gigaset S850 A GO an. Dieses Telefon kann sowohl an einem analogen Anschluss als auch am Router verwendet werden. Und es hat die Möglichkeit, mehrere Sip-Anbieter parallel zu nutzen.
Konfigurieren lässt sich dieses Telefon nicht nur übers Menü, sondern auch über eine Web-Oberfläche, die man per Browser aufruft. Die macht vor allem die Ersteinrichtung einfacher, bei der man nicht nur Voip-Benutzername und -Passwort, sondern auch die Serveradressen und Portnummern des Anbieters eintragen muss.
Konfigurationshürden
Damit ist auch die grösste Hürde der Internettelefonie angesprochen: Das ist die im Detail durchaus komplexe Konfiguration. Bei Problemen muss man auch in der Lage sein, die Einstellungen am Router anzupassen, um beispielsweise eine übereifrige Firewall zu bändigen.
Fazit: Die Emanzipation von den grossen Anbietern und ihren Rundum-sorglos-Paketen bringt Evaluationsaufwand und Umstiegsarbeiten mit sich. Sie birgt aber ein Sparpotenzial, das je nach den konkreten Bedürfnissen beträchtlich ausfällt – für uns über den Daumen gepeilt 50 Franken pro Monat. Und vor allem verschafft sie einem das gute Gefühl, genau die Geräte und Dienste zu nutzen, die man auch nutzen möchte.
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So gelingt der digitale Befreiungsschlag
Der «Drei in eins»-Anschluss bietet Fernsehen, Internet und Festnetztelefonie. Doch so praktisch die Kombiangebote auch sind, sie kosten viel, und sie berauben uns der Wahlfreiheit.