
Die Musikindustrie hat ihrem neuen Star die Weihen verliehen. Billie Eilish, die 18-jährige Sängerin aus Los Angeles, bekam am Sonntag die bemerkenswerte Zahl von fünf Grammys verliehen.
Die Aufregung um sie ist zugleich gerechtfertigt und bezeichnend. Gerechtfertigt, weil die Sängerin über ein künstlerisches Potenzial verfügt, das sie auf mehreren Kanälen vorzeigt. Bezeichnend, da es der Branche immer schlechter geht und sie froh ist um jeden neuen Star. Die CD-Verkäufe sind massiv eingebrochen. Spotify garantiert zwar Erfolge, aber nicht dieselben Gewinne. Vor zwei Jahren verloren die Plattenfirmen Einnahmen von 460 Millionen Dollar. Zehntausende von Mitarbeitern haben ihre Stelle verloren, die meisten Plattenläden sind eingegangen.
Dass die Musik totgesagt wird, hört man seit Jahrzehnten. Und hört dann zu, wie sie weiterlebt. Man merke, dass ein neuer Stil angekommen sei, hat der Kulturtheoretiker Diedrich Diederichsen gesagt: Wenn die Alten sagten, es klänge alles Neue gleich. Das sagten sie zum Bigband-Jazz, zum Blues, zum Country, zum Rock 'n' Roll, zum Pop, zu Heavy Metal, zu Disco, zum Punk, zu Rap und Hip-Hop, zu House und Techno, zur elektronischen Musik, zu den neuen Diven.
Vielleicht hatte der Musikwissenschaftler Ian MacDonald aber recht, als er das kompositorische, melodische und harmonische Können in den angelsächsischen Hitparaden der Sechziger ungünstig mit denen der Achtziger und Neunziger verglich.
Denn diese und alle späteren definierten sich vornehmlich über den Viervierteltakt von Bass und Schlagzeugmaschine. Die harmonische Struktur simplifizierte, die Wiederholung des Refrains verlängert sich. Ohnehin wird fast alles am Computer aufgerufen und zusammengebaut. Wenig Strophe, viel Refrain. Dank der chinesischen App «TikTok» wird der Song auf ein Video von wenigen Sekunden gekürzt, er ist seine eigene Jingle geworden. Über eine Milliarde solcher Clips werden angeschaut. Täglich.
Diese Entwicklung hat, unter anderem, mit den Produktionsbedingungen zu tun. Weit stärker noch als beim Label Motown in den Sechzigern werden die heutigen Hits von Songmaschinisten komponiert, welche die Erfolgsformel einer Erfolgsnummer mit minimen Variationen wiederholen. Und damit koreanische Teenie-Stars ausstaffieren oder Künstlerinnen wie Beyoncé, Rihanna oder Justin Bieber. «Robopop» nennt der Autor John Seabrook diese Mechanisierung der Musik in seinem Buch «The Song Machine».
Man kann das alles bedauern. Aber erstens klingt lange nicht alles schlecht, was auf diese Weise produziert wird. Und zweitens können wir uns an anderen Musikern wie Kendrick Lamar erfreuen. Oder Brittany Howard. Oder Billie Eilish.
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So schnell wie möglich zum Refrain
Innovative Popmusik gibt es immer noch. Aber Bass und Schlagzeugmaschine übertönen die Melodie.