Nach Rahmenabkommen-AusSo soll die Patientensicherheit bei Medizinprodukten gewahrt werden
Sie war gegen das Rahmenabkommen. Nun will die Organisation Kompass/Europa die Probleme der Medtech-Branche lösen. Mit einem simplen Trick.

Die Schweiz hat ein Problem. Sie hat seit Ende Mai keinen Zugriff auf die Datenbank Eudamed. Dort drin werden Vorkommnisse bei Medizinprodukten in ganz Europa gesammelt. Wenn also etwas schiefläuft bei einem solchen Produkt, gar die Sicherheit nicht mehr gewährleistet wäre. Swissmedic, welche die Aufsicht über solche Produkte hat, hat derzeit keine Möglichkeit, um an all diese Informationen zu gelangen. Dabei wäre dies für die Patienten- und Patientinnensicherheit entscheidend.
Der Zugriff wurde Swissmedic verweigert, weil die EU die Schweiz seit dem Verhandlungsabbruch zum Rahmenabkommen als Drittstaat einstufte. Bereits einen Tag nach dem Abbruch war die Schweiz von den Informationen abgeschnitten.
Der Bundesrat hatte bereits im Vorfeld reagiert und die entsprechende Verordnung angepasst. Neu müssen Firmen, die in die Schweiz liefern, einen Bevollmächtigten in der Schweiz haben und Vorkommnisse in der Schweiz an die Swissmedic melden. Vom grossen Datenschatz des Eudamed bleibt Swissmedic auch mit dieser Massnahme abgeschnitten.
«Swissmedic kann ihre eigene Datenbank auffüllen.»
Hier hat die Organisation Kompass/Europa nun einen konkreten Vorschlag. Bei Kompass/Europa formierten sich Gegner des Rahmenabkommens im Vorfeld der Verhandlungen in diesem Jahr. Der Vorschlag: Der Bundesrat soll die angesprochene Medizinprodukteverordnung noch einmal anpassen. Kompass/Europa schlägt nun vor, die Hersteller per Verordnung dazu zu zwingen, dass sie jegliche sicherheitsrelevanten Vorkommnisse Swissmedic melden – also nicht nur, wenn sie in der Schweiz passiert sind.
«So kann Swissmedic ihre eigene Datenbank auffüllen. Für die Firmen selbst ist dies mit keinem grösseren Aufwand verbunden», sagt Philip Erzinger von Kompass/Europa. Denn die Unternehmen müssten die gleichen Vorfälle sowieso an Eudamed melden, da sei es ein vertretbarer Aufwand, dies auch an die Schweizer Behörde zu senden. Der Vorschlag von Kompass/Europa ist zudem einfach und schnell umsetzbar und würde die Sicherheit wieder erhöhen, wie Erzinger sagt.
Werden ausländische Firmen abgeschreckt?
Daniel Delfosse, Geschäftsleitungsmitglied vom betroffenen Branchenverband Swiss Medtech, sieht den Vorschlag kritisch: «Es würde sicher die Patientensicherheit erhöhen. Die Frage ist aber: Schreckt das ausländische Firmen ab?» Noch eine Weisung mehr, die ausländische Firmen erfüllen müssten, mache die Schweiz unattraktiver als Markt. Und: «Es schlägt sich allenfalls auf den Preis nieder», sagt Delfosse.
«Wir fürchten, es könnten in einem Jahr rund 40’000 unterschiedliche Medizinprodukte einfach fehlen.»
Vor den gleichen Auswirkungen warnt die Branche bereits angesichts der heutigen Verordnung. Die Tatsache, dass die ausländischen Firmen in der Schweiz neu einen Bevollmächtigten brauchten, sei mit grossem Aufwand verbunden. Um Versorgungsprobleme zu vermeiden, hat der Bund lange Übergangsfristen eingeführt, damit die Firmen Zeit haben, einen solchen Bevollmächtigten zu benennen. Trotzdem ist die Angst gross: «Wir fürchten, es könnten in einem Jahr rund 40’000 unterschiedliche Medizinprodukte, die wir heute importieren, einfach fehlen», sagte Delfosse Mitte Juli gegenüber dieser Zeitung.
100’000 statt 4000 Meldungen
Umsetzen müsste eine Anpassung der Verordnung die Arzneimittelbehörde Swissmedic. Ein Sprecher weist auf Anfrage darauf hin, dass eine solche Änderung zwei Dinge auslösen kann. So könnten «negative Auswirkung auf die Versorgung zu befürchten sein, da es aufseiten der Hersteller weitere Zusatzaufwände nur für die Schweiz bringen würde», wie ein Sprecher auf Anfrage ausführt.
Beträchtlicher wäre der Mehraufwand für die Behörde – und damit würden auch die Kosten steigen. Mit einer solchen Anpassung würden laut Schätzungen von Swissmedic rund 100’000 Meldungen pro Jahr dazukommen. Im letzten Jahr wurden Swissmedic rund 4000 Meldungen zur Kenntnis gebracht.
Mehr Stellen bei Swissmedic wären nötig
Da der Bundesrat die Verordnung wie oben erwähnt bereits angepasst hat, geht Swissmedic sowieso von einer höheren Anzahl an Meldungen aus. «Für die wissenschaftliche Abklärung dieser Meldungen werden aktuell rund 4 Vollzeitstellen eingesetzt, auch ohne Ausweitung auf Vorkommnisse ausserhalb der Schweiz werden wir hier mehr Ressourcen benötigen.»
Kämen nun noch Meldungen aus dem Ausland obendrauf, wären 50 bis 60 neue Stellen nötig, um die neue Datenbank zu betreiben. Zudem würde eine weitere von Kompass/Europa vorgeschlagene Änderung der Verordnung weitere 30 bis 40 neue Stellen zur Folge haben, wie Swissmedic grob schätzt. Dabei geht es um die Abklärung von sogenannten Sicherheitskorrekturmassnahmen im Feld. Auch dort schwebt Kompass/Europa eine Ausweitung der Meldepflicht vor.
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