So will der Bundesrat den Zivildienst unattraktiver machen
Guy Parmelin hat acht Massnahmen präsentiert, die ein einziges Ziel haben: Weniger Schweizer sollen Zivildienst leisten. Nun üben Hilfswerke harsche Kritik.

Der Bundesrat will den Zivildienst weniger attraktiv machen, damit wieder mehr Personen Militärdienst leisten. Nun kann das Parlament über die Massnahmen entscheiden.
Der Zivildienst sei Personen mit einem Gewissenskonflikt vorbehalten, sagte der zuständige Wirtschaftsminister Guy Parmelin am Mittwoch vor den Medien in Bern. Der Bundesrat wolle diesem Grundsatz wieder Nachachtung verschaffen. Es bestehe keine freie Wahl zwischen Militär- und Zivildienst.
Das gestiegene Interesse am Zivildienst hat mit der Abschaffung der «Gewissensprüfung» im Jahr 2009 zu tun. Seither gilt der Umstand, dass Zivildienstleistende bereit sind, einen anderthalb Mal längeren Dienst zu leisten, als Tatbeweis für einen Gewissenskonflikt. Als Folge stieg die Zahl der Zulassungen an - auf bis zu 6785 im Jahr 2017.
Im Jahr 2018 ging die Zahl zurück: 6205 Personen wurden zum Zivildienst zugelassen. Das seien aber immer noch zu viele, findet der Bundesrat. Parmelin sprach von einer Ausnahme. Der Trend sei klar, im Januar sei die Zahl bereits wieder gestiegen. Angesichts dieses Trends fürchtet der Bundesrat um die Armeebestände.
Keine Auslandeinsätze mehr
Mit acht Massnahmen will er Gegensteuer geben. Zusätzlich zu jenen sieben Massnahmen, die er in die Vernehmlassung geschickt hatte, beschloss er eine weitere: Zivildiensteinsätze im Ausland sollen nicht mehr möglich sein.
Die Massnahme diene der gezielten Senkung der Attraktivität des Zivildienstes, schreibt der Bundesrat in der Botschaft ans Parlament. Parmelin räumte ein, dass Auslandeinsätze einen geringen Teil ausmachten, lediglich zwischen 0,6 und 1,2 Prozent. Auch die Symbolik sei aber wichtig, stellte er fest. Er habe von Einsätzen auf Botschaften in Übersee gehört.
Längere Dienstzeit
Die anderen Massnahmen zielen vor allem darauf ab, die Hürden für den Wechsel aus der Armee in den Zivildienst zu erhöhen. Das soll verhindern, dass Ausgebildete der Armee abhanden kommen. Von den 6205 Zivildienst-Zulassungen im Jahr 2018 handelte es sich bei 2264 um Personen mit bestandener Rekrutenschule und bei 350 um Unteroffiziere und Offiziere. Deshalb will der Bundesrat nun die Dienstzeit verlängern, und zwar in Abhängigkeit des Wechselzeitpunkts.
Wer zum Zivildienst zugelassen wird, soll mindestens 150 Zivildiensttage leisten müssen. Heute müssen Zivis 1,5 Mal so viele Diensttage leisten wie Armeeangehörige. Bereits geleistete Militärdiensttage werden jedoch angerechnet. Die Mindestzahl würde die Dienstzeit für jene verlängern, die ab dem ersten Wiederholungskurs wechseln. Sie müssten insgesamt mehr Diensttage leisten als heute.
Wartefrist von einem Jahr
Für den Wechsel aus der Armee in den Zivildienst will der Bundesrat zudem eine Wartefrist von 12 Monaten einführen. Während dieser Frist müssten die Betroffenen weiterhin Militärdienst leisten. Für Unteroffiziere und Offiziere soll neu ebenfalls der Faktor 1,5 gelten. Bislang galt für sie der Faktor 1,1, wenn sie zum Zivildienst wechselten.
Gar nicht mehr zugelassen werden sollen Personen, die in der Armee keine Restdiensttage übrig haben. Damit will der Bundesrat verhindern, dass sich Armeeangehörige ohne restliche Diensttage durch den Wechsel in den Zivildienst der Schiesspflicht entziehen. Wer zu einem Assistenz- oder Aktivdienst aufgeboten wird - was auch ohne Restdiensttage möglich ist - soll aber im Falle eines Gewissenskonflikts das Recht auf zivilen Ersatzdienst behalten.
Vorgegebener Zeitplan
Weiter soll der erste Einsatz bereits im Jahr nach der Zulassung zum Zivildienst vollständig geleistet werden müssen. Danach besteht eine jährliche Einsatzpflicht. Personen, die zum Zeitpunkt der Zulassung die RS noch nicht bestanden haben, müssen ihren Zivildiensteinsatz von 180 Tagen spätestens im Kalenderjahr nach der rechtskräftigen Zulassung abschliessen. Heute haben sie dafür bis zum Ende des dritten Kalenderjahres nach der Zulassung Zeit.
Nicht mehr erlaubt sein sollen schliesslich Einsätze, die ein begonnenes oder abgeschlossenes Medizinstudium erfordern. Mediziner sollen also nicht mehr als Mediziner Zivildienst leisten dürfen. Damit soll verhindert werden, dass sich jemand im Zivildienst in seinem Beruf weiterbildet.
Zivildienstverband dagegen
Wie stark die Zulassungen zum Zivildienst durch diese Massnahmen sinken werden, kann der Bundesrat nicht genau sagen. Er erhoffe sich aber einen substanziellen Rückgang, hält er fest. Die Umsetzung ist ab Mai 2020 vorgesehen. Der Bundesrat will die Phase bis zum Inkrafttreten so kurz wie möglich halten, weil er in dieser Phase mit einer markanten Zunahme der Zivildienstgesuche rechnet.
Nun ist aber zuerst das Parlament am Zug. In der Vernehmlassung stellten sich SP, Grüne, BDP, und Grünliberale gegen die Pläne. Auch der Zivildienstverband Civiva lehnt diese ab. Sie liefen dem öffentlichen Interesse zuwider, argumentiert er. Einverstanden zeigten sich die SVP, die FDP und die CVP.
Es seien auch zusätzliche Massnahmen gefordert worden, sagte Parmelin. Der Bundesrat sei aber überzeugt, dass die Massnahmen verhältnismässig sein müssten. Sonst drohe die Gefahr, dass sich mehr Personen auf dem «blauen Weg» der Dienstpflicht entzögen, sich also für untauglich erklären liessen.
Hilfswerke üben harsche Kritik
Rund siebzig Einsätze haben Zivildienstleistende im vergangenen Jahr für Schweizer Hilfswerke im Ausland geleistet. Dass diese nun abgeschafft werden sollen, stösst weit herum auf Unverständnis. Gewonnen werde damit nichts, geben etwa Caritas und Helvetas zu bedenken.
«Der Entscheid macht weder ökonomisch Sinn, noch hat er Auswirkungen auf die Wehrfähigkeit der Schweiz», sagte Helvetas-Sprecher Matthias Herfeldt auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Den jungen Erwachsenen werde lediglich eine Chance genommen, wertvolle Erfahrungen im Ausland zu sammeln.
Besonders störend sei der Entscheid vor dem Hintergrund, «dass damit die Solidarität der Schweiz untergraben wird», sagte Herfeldt weiter. Das geschehe in einer Zeit, in der die finanziellen Mittel für humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe politisch schon genug unter Druck stünden. Das sei schade.
«Geringschätzung der Entwicklungshilfe»
Auch Caritas Schweiz bietet Auslandeinsätze für Zivis an, auch dieses Hilfswerk bedauert den Entscheid des Bundesrats. Er sei «Ausdruck einer gewissen Geringschätzung der Entwicklungshilfe», sagte Sprecher Stefan Gribi. Die Regierung verzichte nun auf eine Form der Solidarität der Schweiz.
Auslandeinsätze seien bis anhin eine «sinnvollere Form von Zivildiensteinsätzen» gewesen, sagte Gribi weiter. Den jungen Menschen werde nun eine Gelegenheit genommen, sich mit schwierigen Lebensumständen auf anderen Teilen der Welt zu konfrontieren.
Referendum in der Schublade
Ob die Vorschläge des Bundesrats im Parlament ankommen, wird sich zeigen. SP und Grüne drohen zusammen mit dem Zivildienstverband Civiva vorsorglich bereits mit dem Referendum, falls die Vorlage telquel verabschiedet würde.
Das Argument von Wirtschaftsminister Guy Parmelin, ohne Massnahmen beim Zivildienst sei die Wehrfähigkeit der Schweiz in Gefahr, lassen sie nicht gelten. Im Gegenteil: Die Massnahmen führten nicht zu massiven Einbussen bei der Sicherheit, sondern schmälerten vielmehr Dienstleistungen im Bereich Soziales, Gesundheit, Landwirtschaft und Umwelt, kritisieren sie.
Veto von Armeegegnern
Für die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) widerspricht das Vorgehen des Bundesrats diametral der vom Volk bestätigten Einführung einer Alternative zum Militärdienst. Somit werde ein «gesellschaftliches Potenzial vom Bundesrat mit Füssen getreten».
Die Gsoa ist nach eigenen Angaben bereit, ein Referendum gegen die Vorlage zu unterstützen, sollte das Parlament keine substanziellen Veränderungen mehr anbringen.
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