«Solche Verbote stärken den Islamischen Zentralrat»
Extremismus-Experte Samuel Althof kritisiert die Absage der ISZS-Veranstaltung in Zürich. Stattdessen sollten Politiker und Journalisten die Tagung besuchen.
Die Pensionskasse BVK hat schnell reagiert und die Konferenz des Islamischen Zentralrats (IZRS) aus dem World Trade Center verbannt. Eine gute Massnahme?
Nein. Genau solche Verbote stärken den Islamischen Zentralrat. Das ist eine Kampforganisation – zwar keine kombative, aber doch eine, die ihre Ziele möglichst effizient erreichen will. Das erklärte mir Vorstandsmitglied Qaasim Illi selber. Ich kannte ihn schon, als er noch Patric hiess. Das Hauptziel des IZRS ist es, Anhänger und Aufmerksamkeit zu gewinnen. Wenn wir den IZRS also stärken wollen, haben wir alles richtig gemacht.
Wie meinen Sie das?
Der IZRS tut immer dasselbe. Er provoziert in der Öffentlichkeit, sucht sich emotionsgeladene Orte wie beispielsweise auch den Bundesplatz aus und erhält dafür genau die öffentliche Plattform und Medienwirksamkeit, die er sich wünscht. Auch das World Trade Center ist bewusst gewählt – ein Name, der in diesem Zusammenhang unzügelbare gedankliche Verlinkungen auslöst.
Dennoch; warum stärken solche Verbote den Verein?
Weil es ihn in seiner Opferhaltung bestätigt. Die Welt ist sowieso gegen uns, denken die Mitglieder. Sie fühlen sich ausgegrenzt, ziehen sich zurück und konzentrieren sich noch mehr auf die eigene Gruppe. Diese Ausgrenzungserfahrung bietet den perfekten Nährboden für radikale Tendenzen. Die Infektionsgefahr mit radikalem Gedankengut erhöht sich.
Gerade deswegen muss man doch verhindern, dass die Leute sich Reden von möglicherweise radikalen Referenten anhören?
Ja, aber sehen Sie den Teufelskreis? Die Überwachung von Gefährdungen der inneren Sicherheit ist eigentlich die Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden. Wenn jemand einen Rechtsverstoss begeht oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Schweiz darstellt, müssen diese Stellen reagieren und Einreiseverbote erteilen. Ich versichere Ihnen: Die IZRS-Vorstandsmitglieder Qaasim Illi, Nicolas Blancho und Naim Cherni tun keinen Schritt, ohne dass der Nachrichtendienst es mitkriegt.
Können die Behörden alle potenziell gefährlichen Redner im Überblick behalten?
Sie müssen. Eine solche Art von Berichterstattung wie die heutige bewirkt aber bloss, dass IZRS-Zusammenkünfte noch effizienter organisiert werden und dennoch stattfinden. Artikel wie der im «SonntagsBlick» sind kontraproduktiv und suggerieren, die Gefahr im Griff zu haben.
Die Zeitung hat radikale Tendenzen einiger Redner aufgezeigt.
Ja, und dies auf einer auf den ersten Blick recht dünnen Faktenlage. Die Zeitung setzte auch das Wording. Sie sprach von einem «Islamistenaufmarsch» und «radikalen Muslimen aus der ganzen Welt», die im World Trade Center einmarschieren würden. Dabei ist nicht einmal klar, was mit «Islamist» oder «radikalen Muslimen» gemeint ist.
Artikel wie der im «SonntagsBlick» sind kontraproduktiv und suggerieren, die Gefahr im Griff zu haben.
Was verstehen Sie darunter?
Ein Islamist hat ein dominanzorientiertes Islamverständnis. Er lehnt die Demokratie und ihre Gesetze ab. Er will seine Ideologie durchsetzen, wenn nötig mit Gewalt. Damit sind wir bezüglich IZRS bei der relevanten Frage angekommen.
Sie glauben nicht, dass der IZRS seine Ideologie mit Gewalt durchsetzen will?
Nein. Wie die Vorstandsmitglieder wiederholt öffentlich äusserten, anerkennen sie den Schweizer Staat und wollen hierzulande nicht mit Gewalt einen Scharia-Staat durchsetzen.
Wenn sie das wollten, würde sie es aber auch nicht öffentlich zugeben.
Ja, aber einfach nichts davon ernst zu nehmen, was der IZRS sagt, ist auch der falsche Weg. Wir sollten den Mitgliedern zuhören, ihre Tagungen besuchen und uns mit ihren wertkonservativen Ansichten auseinandersetzen. Nur wenn wir diese kennen, können wir auch aufzeigen, welches unsere Werte sind, und diese in der öffentlichen Debatte jenen des IZRS gegenüberstellen.
Wer sollte das machen?
Jeder, den es interessiert oder interessieren sollte: Politiker, Journalisten, Behörden.
Der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr hat es sehr begrüsst, dass der Event verboten wurde.
Mario Fehr ist ein Politiker. Er denkt an seine politische Karriere und nicht daran, was die konstruktivste Lösung eines Konflikts sein könnte. Verbote liefern dem IZRS Futter. Nicht selten ziehen sie mit ihren Fällen dann bis vors Bundesgericht und erhalten sogar recht. Damit wird das Problem auf die juristische Ebene abdelegiert. Richter sollen soziale Probleme lösen. Doch niemandem mit radikalem Gedankengut hilft es, wenn er nur rechtlich verurteilt wird. Es würde uns allen helfen, wenn man sich mit ihnen auseinandersetzt. Der IZRS hält uns hier einen Spiegel vor.
Wie bitte? Was für einen Spiegel?
Ja, er zeigt uns eine soziale Realität, die wir lieber nicht so genau wahrhaben wollen. Nämlich, dass es in unserer Gesellschaft Menschen gibt, die mit ihren Verletzungen nicht klarkommen und dann Halt in dogmatischen Ansichten und Ideologien suchen. In Gruppierungen wie etwa dem IZRS finden sie ihn. Junge Menschen, die sich radikalisieren, bringen oft sehr schwierige Biografien mit.
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