Geldberater: Obligationen in KrisenzeitenSoll ich die Fonds mit Verlust verkaufen?
Im vergangenen Börsenjahr sorgten nicht nur Aktien, sondern auch Obligationen für Verluste. Solange diese von guten Schuldnern sind, werden sie sich wieder ausgleichen.

Seit dem kürzlichen Heimeintritt meiner hochbetagten Mutter habe ich ihre finanziellen Angelegenheiten übernommen. In den mir vorliegenden Bankauszügen sehe ich Anteile von Swisscanto Portfolio Fund, Valor 237924. Zudem hat sie den Postfinance ESG Income Strategy Fund. Ich finde diese dazumal von den Bankberatern empfohlene Lösung, Geld für eine betagte Person anzulegen, schlecht. In den nächsten zwei bis drei Jahren sind ihre flüssigen Bankersparnisse aufgebraucht und sie wird weiteres Geld benötigen, um den Heimaufenthalt weiterhin finanzieren zu können. Über die Gebühren dieser obigen Finanzprodukte finde ich nichts in den Unterlagen. Soll ich die Positionen beibehalten, auf kostengünstigere Produkte wechseln oder jetzt mit Verlust verkaufen? Leserfrage von J.J.
Ihre Mutter sitzt mit den beiden Fondspositionen wie so viele konservative Investoren auf Buchverlusten. Das hat damit zu tun, dass phasenweise sowohl die Aktienkurse als auch die Obligationenkurse stark nachgaben. Normalerweise entwickeln sich in schlechten Aktienjahren Anleihen positiv und kompensieren die Verluste bei den Aktien. Dies war indes nicht der Fall, weil die Zinsen weltweit steigen.
Angesichts der hohen Teuerung waren die internationalen Notenbanken gezwungen, die Zinsen rasch und stark anzuheben, was zur seltenen Konstellation geführt hat, dass Aktien und Anleihen gleichzeitig deutlich nachgaben, was bisher nur in wenigen Ausnahmejahren geschah. Die Diversifikation hat in dieser Konstellation nur bedingt geholfen. Steigende Zinsen bringen auch die Kurse von Obligationen unter Druck, da die Investoren bei neuen Anleihen mehr Zins bekommen als auf den bestehenden. Letztere werden unattraktiv.
Für die Buchverluste sind neben den Aktien hauptsächlich die Kursrückschläge bei den Obligationen verantwortlich.
Das Problem Ihrer Mutter liegt nun darin, dass Sie zwei Fonds im Depot hat, welche hauptsächlich in Obligationen anlegen. Der Swisscanto Portofolio Fund Valor 237924 investiert in erster Linie in Obligationen sowie andere fest oder variabel verzinsliche Forderungswertpapiere und -rechte von privaten und öffentlich-rechtlichen Schuldnern weltweit. Rund 36 Prozent der Gelder stecken in Schweizerfranken-Obligationen und rund 29 Prozent in Fremdwährungsanleihen. 6 Prozent entfallen auf Geldmarktanlagen. Damit die Rendite des Fonds verbessert werden kann, sind zusätzlich Aktien beigemischt, welche rund 17 Prozent ausmachen sowie Immobilien- und Rohstoffanlagen. Es wird also eine konservative Strategie verfolgt. Für die Buchverluste sind neben den Aktien hauptsächlich die Kursrückschläge bei den Obligationen verantwortlich.
Auch der zweite von Ihrer Mutter gehaltene Fonds, der ESG Income Strategy Fund der Postfinance, investiert als Dachfonds weltweit in Obligationen, Aktien und Immobilien. Doch auch hier liegt der Fokus auf den Obligationen mit rund 61 Prozent. Bei beiden Fonds dürften noch leichte Währungsverluste dazugekommen sein, da diese auch Fremdwährungspositionen enthalten. Ich gehe davon aus, dass Ihre Mutter beim Fondskauf gewünscht hatte, keine grossen Risiken mit ihrem Geld einzugehen und möglichst kein Geld zu verlieren. In normalen Zeiten wäre dieser Wunsch nach Stabilität mit diesen beiden Fonds erfüllt gewesen. Im Ausnahmejahr 2022 war dies indes nicht gegeben.
Die gute Nachricht für Ihre Mutter ist, dass das Geld nicht einfach verloren ist. Seit Jahresanfang haben die Aktienmärkte bereits einiges aufgeholt. Auch bei den Obligationen dürfen Sie mit einer weiteren Kurserholung rechnen. Zwar geben Obligationen wegen der steigenden Zinsen nach. Die Kurse erholen sich aber bis zum Ende der Laufzeit der einzelnen Papiere. Dies ist auch bei den im Fonds gehaltenen Anleihen so. Daher haben Sie eine gute Wahrscheinlichkeit, dass sich die beiden von Ihrer Mutter gehaltenen Fonds weiter erholen. Dazu kommt, dass die beiden Fonds eine Ausschüttung bieten, was die Gesamtbilanz etwas aufbessert.
Weil Ihre Mutter das in die Fonds investierte Geld in zwei bis drei Jahren braucht, würde ich die beiden Fonds behalten und auf eine Erholung setzen.
Dennoch ist man mit Obligationenfonds in den letzten Jahren angesichts der damals extrem tiefen Zinsen nicht gut gefahren. Inzwischen hat sich die Ausgangslage verändert: Mit den steigenden Zinsen werden Obligationenfonds langsam wieder interessant, da man selbst auf Schweizerfranken-Anleihen wieder ansprechende Zinsen bekommt. Hohe Erträge liegen allerdings auch künftig nicht drin. Immerhin gehe ich davon aus, dass sich die Kurse bei den Obligationen in der zweiten Jahreshälfte beruhigen und sich dann langsam erholen dürften, sobald sich beim Zinserhöhungszyklus der Notenbanken ein baldiges Ende abzeichnet.
Es ist richtig, dass die beiden Fonds, welche aktiv verwaltet sind, im Vergleich zu passiv verwalteten Fonds höhere Gebühren aufweisen. Beim Swisscanto-Fonds beträgt die Total Expense Ratio TER mit der die Gesamtkosten des Fonds ausgewiesen werden, 0,97 Prozent und beim Post-Strategiefonds sind sie mit einer TER von 1,13 Prozent als Dachfonds noch etwas höher. Allerdings zweifle ich, ob ein Wechsel in passiv verwaltete Obligationenfonds, die zwar tatsächlich geringere Gebühren verrechnen, wirklich sinnvoll wäre. Ein Wechsel verursacht zusätzliche Gebühren in Form von Transaktionskosten. Zudem ist es nicht Ihre Absicht, die Fonds langfristig zu behalten.
Weil Ihre Mutter das in die Fonds investierte Geld spätestens in zwei bis drei Jahren braucht, würde ich die beiden Fonds vorderhand behalten und auf eine Erholung setzen. Zusammen mit den Ausschüttungen und den bis dann hoffentlich höheren Obligationenkurse besteht eine gute Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Mutter unter dem Strich mit dem Verkauf der Fondsanteile wohl mehr lösen kann, als wenn Sie die Anteile jetzt gleich abstossen. Es brächte überdies wenig, das Geld einfach auf dem Bankkonto zu lassen, wo es weniger bringt als in den ausschüttenden Fonds und die Inflation am Wert des Geldes nagt.
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