Geldblog: Coronafolgen für VersichererSoll ich meine Helvetia-Aktien verkaufen?
Inwieweit die Corona-Krise ihre Spuren hinterlassen hat – und womit Aktionäre des Versicherers rechnen dürfen.

Ich besitze 200 Helvetia-Aktien und könnte sie noch mit Gewinn verkaufen. Bei Helvetia gibt es viele Baustellen: schlechtes Finanzinvestments, Wertberichtigungen wegen des IT-Projekts, das Spanienprojekt und neue Aktienausgabe. Soll ich verkaufen? Leserfrage von H.F.
Der Versicherer Helvetia wird am 25. März 2021 seine Geschäftszahlen für das letzte Jahr präsentieren. Die Zahlen werden schlecht sein, da Helvetia bereits im ersten Semester 2020 in die roten Zahlen gerutscht war. Die Corona-Krise zeigt bei der Helvetia gleich in mehrfacher Hinsicht negative Spuren. Wie Sie richtig schreiben, drückten ein hoher Anlageverlust und ein Abschreiber von rund 40 Millionen Franken auf einem Informatikprojekt zur Erneuerung der Datenverarbeitung, das gestoppt wurde, die Gruppe in die roten Zahlen. Noch schlimmer war der negative Effekt im Anlagebereich. Der Corona-Crash hatte bei der Helvetia einen Anlageverlust im tiefen dreistelligen Millionenbereich zur Folge. Der Versicherer setzt nach den massiven Marktverwerfungen auf Sicherheit und verpasste deshalb die rasche Erholung der Märkte. Das ist aus Aktionärssicht ärgerlich, aber die damals verfolgte konservative Strategie ist durchaus nachvollziehbar. Die wenigsten hatten vor einem Jahr angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Konsequenzen der Covid-19-Pandemie mit einer raschen und starken Markterholung gerechnet.
Im zweiten Halbjahr dürfte die Helvetia operativ einiges aufgeholt haben. Trotz zweiter Coronawelle haben die Policen-Abschlüsse wieder angezogen. Während im ersten Halbjahr noch Schadenzahlungen im hohen zweistelligen Millionenbereich für Corona-bedingte Betriebsunterbrüche und Reiseversicherungen zu leisten waren, fielen diese im zweiten Semester zu einem beträchtlichen Teil weg. Denn in den Schadenzahlungen inbegriffen war die Vergleichslösung, die Helvetia mit vielen Unternehmen insbesondere aus dem besonders vom Lockdown betroffenen Bereich Gastronomie abgeschlossen hatte. Beim erneuten Lockdown im Rahmen der zweiten Coronawelle wird es deshalb deutlich weniger Schadenzahlungen geben.
Standardversicherungen werden von den Kunden künftig wohl eher über günstige digitale Kanäle abgeschlossen.
Angesichts der Tatsache, dass Helvetia im ersten Semester nur aufgrund der negativen Sondereffekte aus dem Anlage- und Informatikbereich in die roten Zahlen abgerutscht war und ohne diese Sondereffekte ein Gewinn von 290 Millionen Franken hätte ausgewiesen werden können, gehe ich davon aus, dass im wichtigen Nicht-Lebengeschäft die Schaden-Kosten-Quote auf unter 100 Prozent gehalten werden konnte und die Gruppe im Gesamtjahr wieder klar schwarze Zahlen präsentiert.
Über diese kurzfristige Sichtweise hinaus viel wichtiger ist die Frage, ob Helvetia strategisch gut aufgestellt ist und wie solide sich das Unternehmen präsentiert. Konzernchef Philipp Gmür treibt derzeit die Digitalisierung stark voran. Mit der Tochter Smile hat Helvetia bereits einen gut laufenden digitalen Kanal. Standardversicherungen werden von den Kunden künftig wohl eher über günstige digitale Kanäle abgeschlossen. In anderen Bereichen etwa der Altersvorsorge und im Firmenkundengeschäft braucht es auch künftig individuelle Lösungen, wo Expertise und Beratung notwendig sind. Für beide Bedürfnisse ist Helvetia gut aufgestellt, kann aber mittels Digitalisierung die Kosten weiter senken.
Ein Risiko ist indes die Übernahme des Versicherers Caser in Spanien. Angesichts des Konjunktureinbruchs in Spanien wegen der Corona-Krise dürfte sich dieser Wachstumsschritt für Helvetia erst mittel- bis langfristig lohnen. Auf lange Sicht bietet Spanien Wachstum und rundet das Europageschäft der Helvetia mit den Märkten Deutschland, Italien und Österreich ab. Da Wachstum im hart umkämpften Hauptmarkt Schweiz kaum in beträchtlichem Umfang möglich ist, muss Helvetia wie andere Schweizer Versicherer auch Wachstums im Ausland suchen. Ob dies gelingt, bleibt offen.
Solide stufe ich die Finanzlage ein: Helvetia hat eine starke Bilanz und weist eine gute Kapitalisierung aus. Vor diesem Hintergrund rechne ich trotz des miserablen ersten Halbjahres damit, dass Helvetia weiterhin eine ansprechende Dividende zahlen wird. In Ihrem Fall würde ich die Dividendenzahlung abwarten. Die Aktie ist aus meiner Sicht eher unterbewertet und widerspiegelt die von mir erwartete Erholung des Geschäftes noch nicht in vollem Umfang.
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