Sollten SUVs verboten werden?
Die Leitung des Ressorts Kultur & Gesellschaft ist sich in der Angelegenheit völlig uneinig. Ein Pro und Kontra.

Ja,
findet Philippe Zweifel:
Vielleicht bin ich nur neidisch, weil ich mir kein SUV leisten kann, aber ich bin ziemlich sicher, dass es andere Gründe gibt für meine Ablehnung. Die Gefährte sind so sinnlos wie ihre Bezeichnung: Sport Utility Vehicle, «Sportnutzvehikel». Welcher Sport? Ich habe noch nie ein SUV mit einem Mountainbike beladen gesehen. Meistens stehen da zwei einsame Einkaufstaschen im Kofferraum.
Bei SUVs kommt mir das WEF in den Sinn, wo die Weltbosse in einer endlosen Kolonne von dunklen Wagen in das Landwassertal einfallen. Vielleicht haben die Leute zu viel WEF geguckt, vielleicht zelebrieren sie den inneren Boss – jedenfalls gleitet man heute gerne auf erhöhtem Sitz die Anwohnersträsschen in der Wohngegend runter: Fast jeder zweite in der Schweiz verkaufte Neuwagen ist ein SUV. Die bulligen Autos sind sicher für die Insassen, aber eine erhöhte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer, was dazu führt, dass immer mehr Leute, gerade Familien, ein SUV kaufen. Ein Teufelskreis? Ein Wettaufrüsten.
Das eigentliche Problem mit SUVs sind aber weder ihre Masse bei einem Unfall, noch dass sie Velofahrer von den Strassen drängen und Garagen wie Parkplätze verstopfen. Auch nicht, dass Kim Kardashian eines fährt. Am meisten stört mich, dass allenthalben von Klimaschutz die Rede ist, aber trotzdem so viele in den Zweitönnern durch die Umwelt rollen. Und zwar nicht nur der viel zitierte Bauer oder rurale Tierarzt, der ohne SUV offenbar seinen Job nicht mehr machen kann, sondern auch das linksurbane Milieu.
SUV-Verbot in den Städten? Lenkungssteuer? Alles vernünftige Vorschläge. Aber wenn man den Klimawandel ernst nimmt, könnte man auch ganz auf die Dinger verzichten. Als erster Schritt, als Bekenntnis. Aber bekanntlich bringt es nichts, den Leuten das Fahren oder Fliegen ausreden zu wollen. Handeln müssen nicht die Einzelnen – handeln muss der Staat. Darum: Weg mit den unzeitgemässen Freizeitpanzern.
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Nein,
entgegnet Guido Kalberer:
Bei den Autos gilt: small is beautiful. Ein Smart oder ein Cinquecento sind cool, ein SUV hingegen ist ein Teufel auf vier Rädern. Dabei verursacht er nicht mehr Unfälle als andere Wagen – wenn schon, müsste man jungen Männern das Autofahren verbieten –, sondern erlaubt bequemes, übersichtliches Fahren auch auf langen Strecken. Für die Anschaffung eines geräumigen SUVs gibt es viele praktische Gründe sowohl für eine Bauernfamilie auf dem Land als auch für eine Grossfamilie in der Stadt.
Natürlich gibt es auch SUVs, die nicht notwendig wären (dies trifft aber auch auf Kombis zu). Aber deswegen dürfen wir die individuelle Wahlfreiheit, eine wesentliche Säule unserer kapitalistischen Marktwirtschaft, nicht beschneiden. Denn unnötige Verbote sind Gift für liberale Gesellschaften, insbesondere dann, wenn es sich um die Beseitigung eines Sündenbocks handelt.
Wenn man sich eine komplizierte Sache einfach machen will, greift man zur Schublade: links die Guten, rechts die Bösen (oder umgekehrt). Das schafft Ordnung und bietet sich überall an: die Fussgänger gegen die Velofahrer, die Velofahrer gegen die Autofahrer und neuerdings die Autofahrer gegen die Vielflieger. Die Abgrenzung funktioniert auch innerhalb der Gruppen: die bei Rot korrekt anhaltenden Velofahrer gegen die anderen.
Wie schnell die Vielflieger zum neuen Hassobjekt unserer Gesellschaft wurden und die SUV-Fahrer damit ein wenig aus dem Rampenlicht der empörten Öffentlichkeit rückten, zeigt vor allem eines: Der neue Moralismus, der die Menge wie eine La-Ola-Welle erfasst, liebt es, die Menschen in ein gutes und ein böses Lager einzuteilen. Das beruhigt zwar die vermeintlich Guten in ihrem Gefühl der sittlichen Überlegenheit – zu einer wirklichen Verbesserung der Verhältnisse trägt dies jedoch nicht bei.
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