Exklusives Naturparadies
In der Masoala-Halle im Zoo Zürich erhält man einen Vorgeschmack auf Madagaskar. Doch das Original ist unvergleichlich.

Es sind kaum Wellen in Sicht. Trotzdem schwankt das Boot kräftig. Während die Touristen in den Speedboats der Hotels in den Nationalpark Masoala brausen, tuckern die Schüler des örtlichen Lernzentrums für Umwelt in einem einfacheren Gefährt Richtung Paradies. Die Halbinsel Masoala ragt wie ein Angelhaken aus der nordöstlichen Küste Madagaskars in die See. Die Fahrt geht vorbei an einem Meer aus grünen Baumkronen. Obwohl die Schülerinnen und Schüler zumeist in ärmlichen Verhältnissen nur wenige Kilometer von der Parkgrenze entfernt aufwachsen, waren die meisten von ihnen noch nie im Nationalpark.
Das ändert sich heute. Die Jugendlichen sollen nicht nur von der heimischen Flora und Fauna hören, sondern hautnah erleben, weshalb dieses einmalige Stück Erde geschützt werden muss. Das zumindest ist das Ziel des Zoos Zürich, der seit über 20 Jahren diverse Umweltprojekte in der Region finanziell unterstützt. «Nicht wir aus der Schweiz schützen den Nationalpark während der nächsten 100 Jahre – sondern die Bevölkerung vor Ort», erklärt Martin Bauert, leitender Kurator des Zoos und Verantwortlicher für das Masoala-Projekt.
Nach über zwei Stunden ist der Masoala-Nationalpark erreicht. Meterhohe Farne, Lianen, die sich um ihre Wirtsbäume winden, Schmarotzerpflanzen in Astgabeln: Über drei Meter Regen pro Jahr kombiniert mit der tropischen Hitze haben aus der Hügellandschaft ein Naturparadies geformt. Seit Madagaskar vor 160 Millionen Jahren vom afrikanischen Kontinent weggedriftet war, blieb dem Urwald viel Zeit, eine einzigartige Natur zu schaffen. Das Land vor der Küste Moçambiques beherbergt rund ein Prozent aller Tier- und Pflanzenarten weltweit. Kein Wunder, ist diese feuchtheisse Region ein Eldorado für Botaniker und Zoologen.
Einheimische haben vor dem Gecko Angst
Die Schülerin Emediana springt kreischend zur Seite. Neben ihr am Fels klebt ein Gecko, meisterhaft getarnt und kaum erkennbar – nur seine glänzenden Äuglein verraten, dass es sich nicht um ein Stück Rinde handelt. Viele Einwohner Madagaskars glauben, dass die fast unsichtbaren Wesen Geister verstorbener Ahnen sind – und fürchten sich vor ihnen.
Letztlich siegt bei der Schülerin jedoch die Neugier. «Weshalb ist sein Schwanz so platt? Gibt es die nur hier in Masoala?» Geduldig beantwortet Nationalparkführer Pascal Elison Frage um Frage. Den wachsamen Augen der Schüler entgeht nichts. Mit Leichtigkeit entdecken sie winzigste Frösche, das kleinste Chamäleon der Welt, gerade mal zwei Zentimeter lang, oder einen Blau-Seidenkuckuck.
Dann plötzlich: ein lauter, grunzender Ruf, gefolgt von hektischem Gezeter. Die Blicke gehen nach oben. Hier bewegen sich Äste, da einige Blätter. Die Galionsfigur von Masoala präsentiert sich: der Rote Vari. Ein rotschwarzer Fellknäuel mit leuchtend gelben Augen. Nicht nur einer, sondern eine ganze Gruppe klettert über den Köpfen der Schüler herum. Diese Lemurenart gibt es nur hier im Nordosten Madagaskars. Mit dem Tram zum Zoo Zürich zu fahren, wäre ungleich einfacher. Doch es ist ein komplett anderes Erlebnis, einen Roten Vari in freier Wildbahn zu beobachten.
Nun scheint der Entdeckergeist der Schüler richtig geweckt. In Flipflops und kurzen Hosen stapfen sie munter durch den Wald, kraxeln Felsen hoch und balancieren über umgefallene Baumstämme, bestaunen die verschiedenen Arten von Orchideen, wilden Ingwer, frische Vanilleschoten und halten Ausschau nach fleischfressenden Pflanzen. «Nur wenn die Kinder die Zusammenhänge zwischen der Natur und ihrem Alltag kennen, verstehen sie, weshalb der Schutz so ungemein wichtig ist», sagt Lehrerin Miora Malalasoa. Die Vazahas in der Gruppe, so nennt man die Weissen auf der Insel, werden allmählich müde. Also wird der Ausflug ins Paradies unterbrochen. Mora, mora – nur mit der Ruhe. Morgen ist auch noch ein Tag.
Die Reise wurde unterstützt von Kuoni Cruises.
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