Martin Ebner fühlt sich von Alpiq über den Tisch gezogen
Wenn der Stromriese von der Börse geht, sollen Publikumsaktionäre 70 Franken pro Aktie erhalten. Ebner kritisiert diesen Deal hart.

Die Meldung tönte auf den ersten Blick unspektakulär: Der französische Energieriese EDF verkauft seinen Anteil von 25 Prozent am Stromkonzern Alpiq für eine halbe Milliarde Franken an den Infrastrukturfonds der Credit Suisse. Pro Aktie zahlt dieser Fonds, in dem hauptsächlich Pensionskassen ihr Geld anlegen, 70 Franken. Faktisch wird ein Viertel von Alpiq damit innerhalb des nächsten Jahres zu Pensionskassenvermögen, und die Firma wird von der Börse genommen.
Interessant ist darum, was mit den Publikumsaktionären geschieht. Und wer künftig die Risiken der AKW-Beteiligungen trägt. Der grösste Publikumsaktionär ist der Finanzinvestor Martin Ebner. Er hat nicht viel Freude an diesem Plan, ganz im Gegenteil. Ebner sagt: «Von mir aus gesehen nützt der Deal vor allem der EOS. Ihr Präsident, Guy Mustaki, der bis 2016 bei Alpiq im Verwaltungsrat sass, hat das genial vorbereitet. Erst bezog er 1,8 Milliarden Franken Ausgleichszahlung aus der Fusion und jetzt hat er dank der missratenen Absicherungsstrategie der Alpiq über Jahre hinweg sehr günstigen Strom, den er den Endkunden teuer verkaufen kann.»
Managementfehler waren ein Grund für die Verluste
Um das zu verstehen, ist ein Blick in die Geschichte der Alpiq nützlich. Der grösste Energiedienstleister der Schweiz entstand Anfang 2009 durch den Zusammenschluss von Atel und der Westschweizer EOS. Damals, auf dem Höhepunkt der Energiepreise, kostete eine Alpiq-Aktie rund 550 Franken. Weil man die Kraftwerke der EOS für wertvoller hielt als jene der Atel, erhielt die EOS eine Ausgleichszahlung von 1,8 Milliarden Franken. Deshalb ist Alpiq bis heute schwer verschuldet. Das ist mit ein Grund für den Wertverlust von 87 Prozent für die Publikumsaktionäre.
Ein anderer Grund für den Wertverlust sind die sinkenden Strompreise – und die Art, wie das Management unter der ehemaligen Konzernchefin Jasmin Staiblin und der Verwaltungsrat, erst unter Hans Schweickardt, dann unter Jens Alder, darauf reagierten. Dazu Ebner: «Die Hedging-Strategie von Staiblin und Alder war extrem ungeschickt, sowohl was die Währung, aber auch was den Strompreis anbelangt.» Beides sind Faktoren, die wesentlich zu den Verlusten bei Alpiq beitragen. Alpiq hat praktisch den gesamten Strom, der in den nächsten drei Jahren hergestellt wird, schon verkauft. Darum ist heute bereits absehbar, dass sie auch in diesem Jahr keinen Gewinn machen wird, obwohl die Preise anziehen. Laut Ebner hätte das nicht so sein müssen: «Ich habe nie verstanden, warum man im absoluten Tief die Stromkapazität über Jahre hinaus fix verkauft hat. Ich habe dies Alder auch gesagt.» Dieser bezeichnete jedoch in einem Interview Ebners Vorschlag als zu riskant. Da Alpiq den Euro während der Zeit des Mindestkurses nicht abgesichert hat, fallen zusätzliche Verluste an.
Auch das hätte laut Ebner nicht sein müssen: «Ich persönlich habe vor der Aufhebung des Euro-Mindestkurses den damaligen Verwaltungsratspräsidenten angerufen und gesagt, Alpiq solle absichern. Man tat es nicht, und nun fallen gigantische Verluste an.» Als der Kurs auf unter einen Franken fiel, kam man offenbar in Panik und versuchte mit Termingeschäften zu reagieren. Aber Alpiq hatte wieder Pech. Ebner: «Dann hat man bei 1.04 abgesichert, und das kostete wieder Millionen.»
Aktienpreis müsste wieder steigen
Auf Grund der Fehler hätte es eigentlich zu Wechseln im Management kommen sollen. Sie unterblieben. Stossend ist auch, dass Jasmin Staiblin nach der Generalversammlung ihren vollen Bonus erhalten wird, obwohl noch viele Rechtsverfahren offen sind. In Rumänien riskiert Alpiq eine Busse von fast 200 Millionen Franken, und der französische Bauriese Bouygues will den Preis für das Alpiq abgekaufte Infrastrukturgeschäft um 200 Millionen Franken drücken.
Was die Zukunft betrifft, ist abzusehen, dass Alpiq wegen der gestiegenen Strompreise wieder ins Geschäft kommen wird. Martin Ebner ist sogar sehr optimistisch. «Auf Grund der nun zu erzielenden Strompreise gehen wir davon aus, dass Alpiq in den nächsten Jahren massiv mehr verdienen wird.» Für dieses Jahr rechnet Ebner mit 120 Millionen Franken Betriebsgewinn, im kommenden Jahr mit 260 Millionen, 2021 mit 370 Millionen und 2022 mit 450 Millionen. Damit müsste der Aktienpreis wieder steigen.
Streit um Entschädigung der Publikumsaktionäre
Hinzu kommt, dass sich Alpiq in den letzten Jahren neu aufgestellt hat. Konkret wurden die Beteiligungen an Atomkraftwerken und an fossilen Kraftwerken im Ausland von den Wasserkraftwerken getrennt und in eine andere Subholding verschoben. Dies und die Tatsache, dass Alpiq die Werke nicht selbst betreibt, führt dazu, dass keine Haftungsrisiken mehr bestehen. Dies war ein wesentlicher Grund dafür, dass der Infrastrukturfonds der Credit Suisse überhaupt einstieg, wie dessen Chef Dominik Bollier sagt: «Alpiq ist nicht AKW-Betreiber, sondern im Fall von Gösgen und Leibstadt lediglich indirekter Minderheitsaktionär beziehungsweise Betriebsführer. Dadurch besteht keine Nachschusspflicht. Zudem sind die AKW-Beteiligungen rechtlich klar von den Wasserkraftwerken getrennt.»
Das alles führt dazu, dass es wohl noch zum Streit kommen wird, wie die Publikumsaktionäre entschädigt werden. Der inoffizielle Plan, sie gleich zu behandeln wie die EDF, kommt jedenfalls für Martin Ebner nicht in Frage: «Wenn es tatsächlich so ist, dass man den Publikumsaktionären nur 70 Franken zahlen will, dann werden die über den Tisch gezogen.» Es sei offensichtlich gewesen, dass EDF aussteigen wollte. Am freien Markt hätte man nie so viele Aktien platzieren können. Das habe auf den Preis gedrückt. «Ein Kurs von 140 Franken wäre eigentlich dem Wert entsprechend und damit auch eine Entschädigung der Aktionäre in derselben Höhe angemessen.» So wie der Deal heute angedacht sei, sei er «kein Ruhmesblatt für den Finanzplatz Schweiz».
Erstellt: 06.04.2019, 21:07 Uhr
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