SP-Politiker stellen Forderungen an Mario Fehr
Eine SP-Delegation verlangt vom Zürcher Regierungsrat, sich der Sans-Papiers anzunehmen – wie Genf dies macht.

Illegale, Sans-Papiers, Clandestinos. Es gibt viele Begriffe. Gemeint sind Leute, die keine Aufenthaltserlaubnis haben und trotzdem längerfristig in einem Land leben und arbeiten.
Der Kanton Genf hat soeben ein zweijähriges Pilotprojekt gestartet zur Legalisierung seiner schätzungsweise 13'000 Sans-Papiers. Wenn sie die gesetzlichen Anforderungen erfüllen (Mindest-Anwesenheitsdauer, Sprachkenntnisse, kein Strafregistereintrag, finanzielle Unabhängigkeit) können sie sich für eine Aufenthaltserlaubnis anmelden. Die «Operation Papyrus», die FDP-Regierungsrat Pierre Maudet im Februar präsentierte, wurde zusammen mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) erarbeitet und umfasst ein ganzes Bündel von Massnahmen, unter anderem gegen Schwarzarbeit und Lohndumping.
Auch der Kanton Zürich soll einen Effort leisten, um seine Sans-Papiers zu legalisieren. Das fordern die SP-Politiker Chantal Galladé, Daniel Jositsch und Andrea Arezina. Die Nationalrätin, der Ständerat und die Interimspräsidentin der Zürcher SP schrieben gestern dem Zürcher Regierungsrat beziehungsweise dem zuständigen Sicherheitsdirektor Mario Fehr einen Brief, in dem sie die Forderung aufstellten.
Hohe Dichte an Sans-Papiers
Schätzungen zufolge leben im Kanton Zürich rund 28'000 Personen als Sans-Papiers, davon etwa 10 Prozent Kinder. «Man sieht sie nicht auf Spielplätzen; zu gross ist die Angst der Eltern, dass sie auffliegen», heisst es im Brief. Die Familien lebten zu Hause auf engstem Raum, wo sich die Kinder ruhig verhalten müssten. Die Lage der Sans-Papiers sei vergleichbar mit der Situation der versteckten Kinder von Arbeitern mit Saisonnierstatut. «Wir sind der Ansicht, dass wir den Status der Illegalen regularisieren sollten, statt so zu tun, als existierten sie nicht.» Das Genfer Modell erscheine als praktische Lösung. Man bitte den Regierungsrat, sich mit dem Bund in Verbindung zu setzen und sich über eine mögliche Umsetzung zu informieren.
Hintergrund des offenen Briefes an den Zürcher Regierungsrat sind Gespräche innerhalb der SP-Delegation der eidgenössischen Räte, aber auch mit SP-Justizministerin Simonetta Sommaruga. Diese zeigt sich im Gegensatz zu ihren Vorgängern offen dafür, das Problem der Sans-Papiers anzugehen. Das Genfer Modell geht dabei nicht über den geltenden gesetzlichen Rahmen hinaus, der Regularisierungen in Härtefällen generell vorsieht.
Neu ist das koordinierte und öffentlichkeitswirksame Vorgehen, das auch Ressourcen in Anspruch nimmt - nicht nur im Kanton selber, sondern ebenso auf Bundesebene. Das Staatssekretariat muss jeden Einzelfall genehmigen. In den ersten drei Monaten der Testphase wurden im Kanton Genf 600 Personen regularisiert, rund doppelt so viele haben sich bis jetzt angemeldet.
Wie Genf gehört auch der Kanton Zürich zu den Kantonen mit dem höchsten Anteil Sans-Papiers. Dasselbe gilt für Waadt und Basel-Stadt, wo die Diskussionen über eine Regularisierungsaktion schon länger laufen. Bisher habe sich der zuständige Sicherheitsdirektor Baschi Dürr (FDP) wenig interessiert gezeigt, sagt Fabrice Mangold, Co-Leiter der Sans-Papiers-Anlaufstelle in Basel. Doch man bleibe mit der Regierung im Gespräch. Dass nun in Genf ein freisinniger Regierungsrat die «Operation Papyrus» aufgegleist habe, mache natürlich Mut, sagt Mangold.
Nur: Die Regularisierung der Sans-Papiers geht einher mit einer rigiden Ausschaffungspolitik, die Pierre Maudet seit Amtsantritt vorantreibt. «Es ist wichtig, dass die beiden Dinge miteinander verbunden sind», sagt Maudet im Gespräch mit dem TA: «Konsequente Ausschaffungen auf der einen - und die Legalisierung der Sans-Papiers auf der anderen Seite.» Wichtig sei auch, dass die regularisierten Personen nicht gleich durch neue Papierlose ersetzt würden. Dies soll mit den flankierenden Massnahmen gegen Schwarzarbeit und Lohndumping vermieden werden.
«Auch menschlich untragbar»
Es sei nicht nur ein menschliches Anliegen, sondern auch ein volkswirtschaftliches, sagt Martine Brunschwig Graf, Präsidentin der eidgenössischen Antirassismuskommission, die das Genfer Projekt unterstützt. Wenn Leute nicht angemeldet seien, sei dies ein Problem für den Rechtsstaat und die Institutionen. Aber auch ein soziales: «Diese Leute arbeiten oft zu nicht vertretbaren Bedingungen, das ist auch menschlich nicht tragbar.»
In Genf ist das Projekt politisch breit akzeptiert, lediglich die SVP lehnt es ab. Ob sich auch in Zürich eine Mehrheit finden liesse, wird sich weisen. Regierungsrat Mario Fehr und seine Partei haben wegen Uneinigkeiten in der Asylpolitik eine turbulente Zeit hinter sich. Wie er sich zur jüngsten Forderung aus SP-Kreisen stellt, sagt Fehr derzeit nicht. Wegen einer im Kantonsrat pendenten Interpellation äussere sich der Regierungsrat im Moment nicht zu der Frage, heisst es. Man werde den Vorstoss fristgerecht beantworten.
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