SPD-Chef wirft Schweizer Banken organisierte Kriminalität vor
Der Finanzminister Nordrhein-Westfalens, Norbert Walter-Borjans, verschärft seinen Kampf im Steuerstreit. Er droht mit Klagen gegen Schweizer Finanzinstitute. Deutliche Worte findet auch Sigmar Gabriel.

Im Steuerstreit zwischen Deutschland und der Schweiz hat der Chef der deutschen SPD, Sigmar Gabriel, Schweizer Banken organisierte Kriminalität vorgeworfen. Wer bandenmässig Steuern hinterziehe, könne mit zehn Jahren Haft bestraft werden, sagte Gabriel im Deutschlandfunk. «Das ist ein schwerer Straftatbestand. Hier reden wir über organisierte Kriminalität in Schweizer Banken in Deutschland.» Es ärgere ihn, dass es keine Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung solcher Vergehen gebe.
Die USA hätten den Schweizer Banken schlicht und einfach mit Strafverfolgung gedroht, sagte der SPD-Chef. «Warum trauen wir uns das eigentlich nicht? Oder warum übergeben wir das nicht dem Generalbundesanwalt, damit er dagegen ermittelt? Die werden ruckzuck aufhören, da bin ich ganz sicher», sagte Gabriel.
Kauf von Bankdaten verteidigt
Gabriel verteidigte den Ankauf von CDs mit den gestohlenen Daten mutmasslicher Steuerhinterzieher durch das Land Nordrhein-Westfalen. Das sei durch die Rechtsprechung gesichert. Die CDs stammen häufig von Bankmitarbeitern, die diese den deutschen Behörden anbieten.
Immer wieder wird den Schweizer Banken vorgeworfen, sie würden auch Schwarzgeld gezielt anlocken und damit Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten. Die Banken weisen diesen Vorwurf zurück.
Walter-Borjans droht mit Klagen
Norbert Walter-Borjans, Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, verschärft seinen Kampf gegen die Steuerhinterziehung in der Schweiz. Im Interview mit der «SonntagsZeitung» droht er mit Klagen gegen Schweizer Banken. Man habe zusammen mit Bankdaten Hinweise auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung erhalten: «Wenn damit der Nachweis für systematische Steuerhinterziehung erbracht werden kann, werden wir dem auch nachgehen.» Die Staatsanwaltschaft müsse jetzt entscheiden, ob die Beweise für eine Anklage reichten.
Walter-Borjans macht auch klar, dass er selbst nach einer Annahme des Abkommens nicht auf den Kauf von Bankdaten verzichten wird, obwohl das Abkommen dies nach Schweizer Lesart verbietet. Denn man habe Hinweise auf neue Konstrukte, in die deutsches Geld fliesse und die vom Abkommen nicht erfasst seien. «Wir werden im Notfall weiteres Datenmaterial erwerben», kündigt der Finanzminister an.
Nachverhandlungen möglich
Der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen gilt als der wohl schärfste Gegner des Steuerabkommens zwischen Deutschland und der Schweiz. Dennoch hält er Neuverhandlungen zu dessen Inhalten für möglich, wie er gegenüber der «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche» sagte. «Ich bin überzeugt, dass es im Interesse der Schweiz ist, den jetzigen Zustand nicht fortbestehen zu lassen», erklärte Walter-Borjans. Für die Schweiz und ihre Banken sei dieser Zustand nämlich «definitiv schlechter» als mit jedem möglichen Abkommen.
«Ich halte deshalb Neuverhandlungen für möglich, spätestens mit einer neuen Bundesregierung (nach der Kanzlerwahl im kommenden Jahr)», so Walter-Borjans. Weiter erklärte Walter-Borjans, er halte den automatischen Informationsaustausch für durchaus wichtig. Finde man aber eine andere Möglichkeit, die eine gesamteuropäische Lösung nicht verhindere und «unseren legitimen Interessen» nicht zuwiderlaufe, könne er sich auch ein bilaterales Abkommen zwischen den beiden Ländern vorstellen.
Vorwürfe an Schweizer Banken
Als Defizite des derzeit ausgehandelten Abkommens sieht der Mann, der die Schweizer Banken nicht zur Ruhe kommen lässt, vor allem die Diskrepanz zwischen den verschiedenen Sätzen bei der Nachversteuerung. «Steuerhinterzieher bei der Abgeltung der Vergangenheit mit einem Steuersatz von nur 21 Prozent sind wesentlich besser gestellt als ehrliche Steuerzahler beim Spitzensteuersatz von 42 Prozent.»
Ausserdem erlaube das Abkommen, dass bis Ende 2012 noch Vermögen von den Konten aus der Schweiz abgezogen würden, was offenbar gerade geschehe. Einige Schweizer Banken entwickelten bereits Modelle, um das Geld in der Schweiz in anderen Konstrukten oder gar in anderen Steueroasen zu verstecken.
Strafanzeige gegen Bundesrat
Derweil hat der Genfer Anwalt Douglas Hornung erneut eine Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Konkret handelt es sich beim Dossier, das der Zeitung «Der Sonntag» vorliegt, um einen Zusatz zur Strafanzeige, die Hornung am 8. Juni im Namen seines Klienten, des früheren HSBC-Chefjuristen Eric Delissy, gegen dessen früheren Arbeitgeber eingereicht hatte.
Gemäss Hornung tragen die Banken, in seinem Fall die HSBC, zwar die Hauptverantwortung für die Lieferung von Tausenden Mitarbeiterdaten in die USA. Der Bundesrat, der sie dazu ermächtigt hat, sei jedoch mitschuldig. Ebenso wie die Finanzmarktaufsicht (Finma), welche die Banken im Nachgang zum umstrittenen Bundesratsentscheid vom 4. April 2012 zur Kooperation und damit zur Datenherausgabe an das US-Justizdepartement ermutigt hat.
Wie eine Pistole auf dem Küchentisch
Hornung erklärt seine Argumentation im Strafanzeigen-Zusatz mit einem markigen Beispiel: «Wenn Ihr gewalttätiger Schwager Sie bittet, ihm zu helfen Ihre Schwester umzubringen, lassen Sie nicht eine Pistole auf seinem Küchentisch liegen mit einer Warnung, die Schweizer Gesetze einzuhalten.»
Die Anzeige wird nun von der Bundesanwaltschaft geprüft, bevor diese entscheidet, ob sie eine Untersuchung eröffnen will. Hornung erwartet einen Entscheid noch im August. Doch die Sache hat einen Haken: Will die Strafverfolgungsbehörde tatsächlich aktiv werden, dann braucht sie die Bemächtigung des Bundesrats.
mit Material von sda/kpn/kle
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