Der Rekordspieler
Valon Behrami bestreitet an der WM in Russland seine sechste Endrunde – das hat kein Schweizer geschafft.

Die Zeichen, dass er älter wird, kann er nicht leugnen. Die Schläfen sind grau. Darum trägt er die Haare auf der Seite kurz. Der Rest ist blondiert. Ein wenig Eitelkeit muss sein. Auch mit 33.
Wenn die Schweiz heute in Luzern gegen Panama testet, wird Valon Behrami fehlen. Es zwickt ihn im Oberschenkel, wieder einmal in seiner Karriere. Er hätte auch sonst nicht gespielt, weil Vladimir Petkovic die Mannschaft im Vergleich zum Spiel am Freitag in Griechenland umstellt.
Ob er heute dabei ist, spielt weiter keine Rolle. Behramis Wert für diese Mannschaft ist unbestritten. Als Leader, als Stammesältester, als Spieler, zu dem andere aufschauen. Lange wird er das nicht mehr sein. Im Sommer ist Schluss als Nationalspieler. So hat er das seit der letzten EM schon im Kopf. Und er wird gehen als Rekordspieler. In Russland nimmt er zum sechsten Mal an einer Endrunde teil, zum vierten Mal allein an einer WM, nach 2006, 2010 und 2014. So etwas hat kein Schweizer vor ihm erreicht. Das macht ihn stolz.
Zuerst ein Aussenseiter
132 Länderspiele könnte er bis heute bestritten haben, wenn seit seinem Debüt am 8. Oktober 2005 nicht immer wieder etwas dazwischen gekommen wäre. 77 sind es geworden. Dass es nicht mehr als 77 sind, hat in erster Linie mit seinen Verletzungen zu tun. Oder damit, dass er zuerst um seine Anerkennung kämpfen musste.
Am Anfang fühlte er sich noch als Aussenseiter. Er war weder akzeptiert noch integriert, er war aber auch der junge Mann, der zeigen wollte: Ich bin der Kosovare, der Aussenseiter. Einmal, es war im März 2007 mit dem Nationalteam auf einer Reise in Florida, muckte er auf: Er fühle sich auf «einem Schülerreisli oder Familienausflug». Damals war er noch das «cavallo pazzo», das verrückte Pferd, das in Rom gerne um die Häuser zog und wohl auch um Mitternacht in der Disco die Sonnenbrille trug.
Die bange Frage
2006 war er erstmals mit der Schweiz an einer WM gewesen. Gut, es war nicht gerade sein grösstes Turnier. Zwei Minuten nur kam er zum Einsatz, im dritten Gruppenspiel gegen Südkorea. Zufrieden machte ihn das nicht.
2008, bei der EM im eigenen Land, spielte er immer – zumindest in den Gruppenspielen, dann war die Schweiz schon ausgeschieden. Behrami war damals nicht im Ansatz das Thema als Spieler, das war Alex Frei wegen seiner Knieverletzung.
2010 war die zweite WM. Beim 1:0 gegen Spanien war Behrami Ersatz, gegen Chile spielte er und sah nach einer halben Stunde eine fragwürdige Rote Karte. Und fragte sich: «Was muss ich machen, dass es im Nationalteam nicht mehr schiefgeht?»
2014 kam Brasilien, die nächste WM, das Startspiel der Schweiz gegen Ecuador. Behrami spielte nicht gut, er verlor viele Bälle. Früher, sagt er selbst, hätte er deshalb noch den Kopf verloren und sich zu einer Unbeherrschtheit hinreissen lassen. Doch das Zureden des damaligen Nationaltrainers Ottmar Hitzfeld liess ihn reifen. Die 93. Minute lief, es stand 1:1, als Behrami im eigenen Strafraum auf spektakuläre Art einen gegnerischen Schuss abwehrte. Als er gleich aufstand und mit dem Ball am Fuss zum Sturmlauf ansetzte. Und so seinen Anteil zum 2:1-Siegtreffer durch Haris Seferovic beitrug. Er sagte: «Das charakterisiert mich sehr gut. Das ist mein wesentlicher Charakterzug. Ich bin Valon, der Krieger.» Er war auf einmal Behrami, der akzeptierte Nationalspieler.
Der Traum vom Viertelfinal
2016 folgte die EM in Frankreich. Die Schweiz sah den besten Behrami überhaupt. Die Fans riefen seinen Namen. Das erfüllte ihn mit Genugtuung. Und weil er Teil dieses Schweizer Teams war, spürte er ganz viel Stolz. Er weinte, nachdem die Schweiz im Achtelfinal gegen Polen ausgeschieden war. Der Oberschenkel schmerzte, vor allem schmerzte die Tatsache, eine grosse Chance verpasst zu haben. Behrami dachte an Rücktritt, bis ihm Tage später seine Tochter sagte: «Papa, wie sagst du mir jeweils, wenn ich etwas falsch gemacht habe? Das nächste Mal machst du es besser.» Er realisierte: Ja, sie hat recht. Und ja: Er möchte noch eine Chance, um sich seinen Traum zu erfüllen. Den Traum vom nächsten Schritt. Von einem Viertelfinal.
Jetzt sagt Behrami: «Es ist das Zeichen einer grossen Mannschaft, wenn sie auch in Testspielen mit der richtigen Mentalität auf den Platz geht und gewinnt. Dann fragt man sich nicht mehr: Was ist jetzt? Dann fährt man mit einem ganz anderen Gefühl an ein Turnier.»
Video – Ist die Nati bereit für das Testspiel gegen Panama?
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