Der Schweizer, der mit Gerhard Schröder per Du ist
Martin Andermatt ist der mächtigste Mann von Hannover 96, schreiben deutsche Medien. Tatsächlich hat der Mann viel Einfluss.

Es muss allerhand Raffiniertes drin gestanden sein, in diesem Papier, das Martin Andermatt für Hannover 96 erstellt hat. Kaum hatte er das Schriftstück Präsident Martin Kind im vergangenen Herbst übergeben, wurde er in den Aufsichtsrat vorgeschlagen. Und kaum hatte er den Job am 21. Februar angetreten, waren 14 Tage später Trainer Stendel, Geschäftsführer Bader und Sportchef Möckel von ihren Aufgaben entbunden (als Tabellenvierter!).
Was ist das also für ein Papier? Im Abstiegsstrudel der vergangenen Saison bat Präsident Kind den arbeitslosen Trainer Andermatt, eine Analyse zur Lage des Vereins zu schreiben. Er tat das, sprach mit allerlei Leuten und prüfte das Umfeld, verfasste Verbesserungsvorschläge und reichte im November das Dokument ein.
Der Präsident vertraut und gibt ihm Macht
Nun ist er also Aufsichtsratsmitglied eines Zweitbundesligisten. Kernkompetenz Sport. Jeder Transfer geht über seinen Tisch. Andermatt profitiert dabei von seiner Nähe zu Kind. Dieser hat wegen seines Vaters den Schweizer Pass und ein Ferienhaus in Klosters. Andermatts ältester Sohn wiederum absolvierte vor 12 Jahren in Hannover ein Probetraining – seither bestehen lose Kontakte. Von Zeit zu Zeit gab der Zuger Ratschläge, nun werden die Beziehungen intensiviert.
Der Schweizer muss Kind offenbar imponiert haben. Andermatt sagt nur, er habe seine Erfahrung als gelernter Lehrer, als Fussballtrainer, als Sportchef, aber auch als Fifa-Entwicklungshelfer in Burundi («arm») und Nigeria («kriminell») einbringen können – er kokettiert mit Understatement.
Die «Hannoversche Allgemeine» schreibt, Andermatt sei «der wichtigste Mann in der grossen Welt der 96er». Kind sagt: «Nichts darf ohne Andermatt entschieden werden. Es wurde in der neuen Geschäftsordnung ausdrücklich bestätigt, dass Andermatt in alle Prozesse eingebunden werden muss.» Andermatt soll laut Kind eine 96-Philosophie entwickeln: «Wie wollen wir Fussball spielen? Nach seinem Leitfaden sollen die Transfers gemacht werden.»
Andermatt will seine Macht im Club nicht absolut sehen. «Wir entscheiden alles gemeinsam.» Helfen kann dabei Gerhard Schröder. Alt-Bundeskanzler, Gazprom-Lobbyist, Hannover-Fan und -Aufsichtsratsvorsitzender. Die beiden sind Gremiumskollegen. Andermatt bewundert Schröders rhetorisches Geschick und seine Gabe, harte Arbeit locker aussehen zu lassen.
Er ist mit dem einst mächtigsten Mann Deutschlands per Du, trifft ihn zu Sitzungen, im Stadion hat Schröder seine Loge gleich neben Kind und für den Notfall trägt der Schweizer auch dessen Nummer in der Tasche – er hat sie noch nicht gebraucht.
Die leise Kritik an den Spielern
Also, was stand in diesem Papier drin? Andermatt will nicht so recht darüber sprechen, er ist vorsichtig. In Hannover wird jede Regung von ihm beobachtet und medial verwertet. Ob er den Trainer umarmt oder nur die Hand schüttelt. Ob er bei einem gelungenen Schuss im Training nickt – oder eben nicht. «Ich suche nicht den Mittelpunkt, probiere aber, mich selbst zu sein.» So hat er kürzlich in der «Bild»-Zeitung während der sportlichen Baisse mit einem pointierten Zitat an die Verantwortung der Spieler appelliert: «Sie haben ein breites Kreuz, wenn es ums Verhandeln geht. Jetzt geht es darum zu handeln.»
Andermatt spricht aus Erfahrung, er hat als Trainer einiges erlebt. Er war bei Ulm Nachfolger von Ralf Rangnick (der wechselte damals während der Saison zu Stuttgart), er stieg mit dem Verein auf und wieder ab. Bei Eintracht Frankfurt haben sie ihn nach zehn Monaten fortgeschickt, bei YB gelangen ihm respektable Saisons mit zweiten Plätzen, aber ohne Titel – er wurde entlassen. Bei Bellinzona ging er als Opfer des miesen Geschäftsgangs, in Zug kam er mit dem Amateurgedanken nicht mehr zurecht – er verliess den Club aus eigenem Antrieb.
Grosse Ziele, nun das Spitzenspiel
Nun also Hannover: 1,5 Stunden dauert der Flug in den Norden, manchmal nehme er den Zug, um noch ein bisschen arbeiten zu können. Andermatt beschreibt den Hannoveraner als begeisterungsfähig, als innovativ, aber auch als fordernd und manchmal nörgelnd. Am Wochenende ist das Spitzenspiel gegen Union Berlin, das Stadion ist mit 49'000 Leuten ausverkauft, momentan sind die Leute in der niedersächsischen Stadt euphorisch.
Andermatt hat mit Horst Heldt einen Manager und mit André Breitenreiter einen Trainer eingestellt, die beide ehrgeizig sind, aber auch eine wunderliche Geschichte haben. Auf Schalke arbeiteten sie zusammen – und sollen sich gemäss Medienberichten am Ende gemobbt haben. Andermatt sagt, es zeuge doch von Grösse, dass die beiden sich aussprachen, es noch einmal probieren und sich gemeinsamen Zielen unterordnen. Denn diese seien in Hannover gross.
Andermatt rechnet vor: aufsteigen. Ligaerhalt. Mittelfeldplatz. «Dann kann man weiterschauen.» Wie will er das schaffen? «Ich muss der Zeit voraus sein.»
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