Die Schlüsselfigur heisst Heusler
Verbandspräsident Peter Gilliéron hört im nächsten Mai auf, Coach Vladimir Petkovic redet endlich – und Bernhard Heusler übernimmt die wichtigste Rolle.

Der Chef sitzt vorne. Der Chef übernimmt zuerst das Wort. Und der Chef sagt: «Wir haben Fehler gemacht auf allen Ebenen. Und ich übernehme Verantwortung.» Der Chef ist der Präsident des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV) und heisst Peter Gilliéron.
Der SFV ist von Krise zu Krise geschlittert, während und nach der WM. Die Fussballer und Funktionäre haben mit Doppeladlern und Doppelbürgern nationale Debatten ausgelöst, der Trainer hat geschwiegen und mit Valon Behrami gestritten. Doch jetzt, an diesem Freitagnachmittag, mehr als sieben Wochen nach der Heimreise aus Russland, reden die Verantwortlichen.
Video: SFV-Präsident Gilliéron hört im Frühling 2019 auf
Im Haus des Sports in Ittigen bei Bern haben Präsident Gilliéron, Nationaltrainer Vladimir Petkovic und der Nationalmannschaftsdelegierte Claudio Sulser nebeneinander Platz genommen. Nach Gilliérons Mea Culpa und der Ankündigung, sich Anfang September auch vor der Mannschaft zu entschuldigen, sagt er bald, was erwartet werden konnte: Er tritt nicht sofort zurück – aber nach dem Ende seiner fünften Amtszeit im kommenden Mai nicht mehr zur Wiederwahl an. Zehn Jahre als Verbandspräsident hat er dann hinter sich. Die meisten erfolgreich. In Erinnerung wird er nun aber auch wegen der Krisentage in Russland bleiben, als ihm die Führung seiner Crew entglitt.
Gilliéron sagt ziemlich genau das, was auf den Blättern vor ihm steht. Die Verbandsspitze liess sich in den vergangenen Wochen von Lorenz Furrer coachen, einem teuren Berner Lobbyisten und PR-Experten. Furrer ist auch im Saal und schaut zu. Gilliéron sagt: «Ich werde mit Freude und Begeisterung und mit den getroffenen Massnahmen versuchen, zu alter Stärke zurückzufinden.»
Der Beschluss: Neue Strukturen
Die Entschuldigung ist Strategie, ein Teil des Pflichtprogramms. Daneben ist es Gilliéron schon auch wichtig zu betonen, dass seine bisherige Zeit als Präsident gut gewesen sei: «Wir waren nie so erfolgreich wie in den vergangenen acht bis zehn Jahren.» Und er sagt auch, dass der Rückblick weniger wichtig sei als die Vorausschau. Es soll ja einiges anders werden.
Am Freitagmorgen hat der SFV-Zentralvorstand Massnahmen rund um das Nationalteam beschlossen. Die Strukturen sollen angepasst werden – «wir hinken hinterher im Vergleich mit professionell aufgestellten Nationalmannschaften», sagt Gilliéron. Der Verband will sich der Social-Media-Aktivitäten der Spieler annehmen und eine nähere Verbindung zu ihnen aufbauen. Er will seine Medienarbeit verbessern und sich verstärkt gesellschaftspolitischen Fragen wie der Integration widmen. Am Ende seiner Aufzählung meldet Gilliéron: «Lassen Sie uns den Tatbeweis erbringen.»
Basler Trio: Lösungen von HWH
Auf dem Weg zu den vielen Verbesserungen steigt ein Mann zur zentralen Figur im Schweizer Fussball auf: Bernhard Heusler. Heusler sitzt auch im Zentralvorstand. Und nun haben ihm seine Kollegen ein Mandat übertragen. Der frühere Präsident des FC Basel soll mit seinen jetzigen Geschäftspartnern in der Firma HWH, dem früheren FCB-Sportchef Georg Heitz und dem einstigen FCB-Finanzchef Stephan Werthmüller, die Strukturen rund um die Nationalmannschaft analysieren. Und dann strukturelle und personelle Anpassungen vorschlagen.
Das wird schnell passieren. Im November tagt der Verbandsrat, der Anpassungen in den Statuten und Reglementen vornehmen kann.
Nicht erstaunen könnte es, sollten Heusler und Heitz auch einen Blick auf Petkovic und dessen Arbeit werfen. Sie haben in Basel oft genug bewiesen, ein sehr feines Gespür für Strömungen und Trainer zu haben. Heusler wird bei den Beratungen des Zentralvorstandes in den Ausstand treten, wenn es um seine Vorschläge geht. Doch es gibt wenig Zweifel, dass das Gremium die Ratschläge von HWH umsetzt.
Sulsers Auftritt: Nur Lob für Petkovic
Gegen Serbien an der WM formten Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri und auch Stephan Lichtsteiner ihre Hände zum Doppeladler. Die Gesten lösten eine gewaltige Debatte aus, und sie sind nun auch in Ittigen Thema. Claudio Sulser, der Delegierte der Nationalmannschaft, sagt: «Manchmal ist man als Fussballer nicht in der Lage, rational zu handeln.» Er redet von Emotionen, er sagt, das könne wieder passieren.
Überhaupt, Sulser. Er müsste als Delegierter eigentlich nahe am Team sein. Aber ist er das wirklich? Kritiker halten ihm vor, an der WM beinahe schon ein Tourist gewesen zu sein. Sein Posten wird von Heusler und Heitz zweifellos gut beleuchtet, für einige ist schon klar, dass der Delegierte bald durch einen vollamtlichen Nationalteammanager ersetzt wird. Claudio Sulser sagt: «Bis die Analyse abgeschlossen ist, bin ich mit aller Kraft dabei.»
Doch Sulser kann nun auch Arbeit abgeben – an Vincent Cavin, der als vollamtliche Anlaufstelle installiert worden ist, der für Spieler und Berater ein offenes Ohr haben soll, der als rechte Hand von Petkovic fungiert. Wer auf die Idee kommt, zu hinterfragen, ob sich die Investition in einen solchen Posten lohnt und nicht der Delegierte oder die Trainer solche Aufgaben wahrnehmen könnten, dem entgegnet Sulser: «Cavin als Koordinator ist ein Schritt zur Professionalisierung.»
Sulser tritt wie ein Vertreter auf, der das Produkt Nationalmannschaft anpreist – und auch Trainer Petkovic. Es fallen Sätze wie: «Es war noch nie ein Trainer so erfolgreich wie Vladimir Petkovic.» Oder: «Vlado ist eine disziplinierte Persönlichkeit, die viel denkt und arbeitet, auf die man sich verlassen kann.» Ob Sulser das wirklich alles so findet? Im Zentralvorstand gibt es einige, die am Trainer zweifeln.
Vladimir Petkovic: Er redet wieder
Vladimir Petkovic hört neben Sulser zu, ohne dass er eine Regung zeigen würde. Und dann bekommt er das Wort, der Trainer, der in den Minuten nach dem verlorenen WM-Achtelfinal gegen Schweden zum letzten Mal öffentlich geredet hat. Und der nun schildert, warum am Tag danach der Präsident und Captain Stephan Lichtsteiner Auskunft gaben, nicht aber er: «Für mich, für uns war es nicht so wichtig, weil ich ein paar Stunden nach dem Match keine komplette Analyse machen konnte. Es war schwierig, clevere Aussagen zu machen.»
Er habe vorgehabt, das mit etwas Abstand im Tessin nachzuholen. «Aber dann», sagt er, «kam dieses Interview. Und wir sagten den Termin ab.» Dieses Interview war jenes von Alex Miescher, dem Generalsekretär, das auf Redaktion Tamedia mit der Überschrift «Wollen wir Doppelbürger?» erschien – und heftige Diskussionen auslöste. Petkovic äussert sich auch jetzt nicht zur Thematik, er klammert sich an die Haltung, er sei kein Politiker, sondern Fussballtrainer. Er gesteht aber ein: «Wir hatten nicht das richtige Timing, um zu kommunizieren. Das nehme ich auch auf meine Kappe.»
Fall Behrami: «Es tut mir leid»
Petkovic würde das Gewesene am liebsten so rasch wie möglich hinter sich lassen und streut darum bewusst Sätze ein, mit denen er vermitteln will: Die Schweizer Fussballwelt ist doch gar nicht so aus den Fugen geraten. Er berichtet von einem positiven Feedback, das ihm viele Leute nach der WM gegeben hätten. Zählt auf, dass die Schweiz an den vergangenen drei Turnieren dreimal den Achtelfinal erreichte («das ist keine Selbstverständlichkeit»). Sagt, dass für die Partie am 8. September gegen Island in St. Gallen «schon 10'000 Tickets verkauft sind, die Euphorie ist da». Und betont schliesslich, dass ihm sein Job gefällt: «Ich bin stolz, Nationaltrainer zu sein.»
Aber die Vergangenheit lässt sich nicht einfach so abschütteln.
Da ist diese schwache Leistung gegen Schweden, die zum abrupten Ende der WM-Reise geführt hat. Und da ist das, was nach der Heimkehr passierte, am 6. August. Petkovic ruft Lichsteiner, Behrami, Dzemaili, Djourou und Fernandes an, um ihnen mitzuteilen, dass er im Herbst in der Nations League Jüngere testen will. Dass er – so geht seine Version – aber niemanden in die Pension schicken will. Das versteht einer aber anders: Valon Behrami. Das Gespräch endet mit einem Eklat. Behrami verkündet noch am gleichen Tag seinen Rücktritt als Nationalspieler. Petkovic sagt nun: «Die anderen Spieler haben es richtig verstanden, was ich sagte. Valon leider nicht.» Und: «Es tut mir leid, dass es eskaliert ist. Aber ich habe eine solche Frustreaktion nicht erwartet. Es wäre besser gewesen, wenn er eine Nacht darüber geschlafen hätte.»
Bloss: Warum setzte er sich mit einem Spieler, der sechs grosse Turniere mit der Schweiz bestritten hat, nicht an einen Tisch? Zumal Behrami in Lugano weilte? «Ich wusste nicht, dass er in Lugano ist», sagt Petkovic, «ausserdem hätte ich ihm am Tisch nichts anderes gesagt.» Für Djourou, Dzemaili, Lichtsteiner ist eine Zukunft im Nationalteam möglich. Fernandes hat sich zurückgezogen. Und im Fall von Behrami ist eine Versöhnung ausgeschlossen: «Er hat seinen Rücktritt gegeben.»
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