Diese Geschwister stehen für den Cup-Knüller in Winterthur
Um 18:45 Uhr ist Anpfiff auf der Schützenwiese: Dann geht auch bei Manuel Akanji und seiner Schwester Sarah der Puls hoch.

Das ist die Geschichte von zweien, die zusammen im Garten dem Ball hinterhergerannt sind. Drei gegen einen Goalie im kleinen Tor, mit Freunden, stundenlang. Die gemeinsam im Tennis waren – wegen der Mutter. Und in der Leichtathletik – wegen der älteren Schwester. Wiesendangen, acht Minuten mit der S8 nach Winterthur, ländliche Idylle. Beide talentiert am Ball, talentierter als viele ihrer Gschpäändli. Also landen die zwei schliesslich als Innenverteidiger in der höchsten Schweizer Liga.
Doch damit ist es vorbei mit den Parallelen. Denn Sarah Akanji kommt als Mädchen zur Welt, Manuel als Bube. Darum ist er gerade dabei, sich seinen Stammplatz beim FC Basel zu erobern. Sie studiert in Zürich Geschichte und Politik. Und baut gleichzeitig auf, was ihr als Jugendliche gefehlt hat: Ein Frauen-Spitzenteam beim FC Winterthur, bei dem ihr Bruder so lange gefördert worden ist, bis er den Schritt zum Profi geschafft hat.
Mein Weg, dein Weg – wenn Geschwister ins Leben hinaustreten, kann das durchaus zu schmerzhaften Spannungen führen. Nicht bei den Akanjis. Sarah (23) und Manuel (21) sitzen im St.-Jakob-Park. Und die Eltern, die Mutter Schweizerin, der Vater Nigerianer, müssen einiges richtig gemacht haben. Es sind nicht die Worte allein, es sind die kleinen Gesten, die Blicke, die sagen: Nein, da herrscht kein Geschwisterneid. Da ist die grosse Schwester ehrlich stolz darauf, was ihr kleiner Bruder erreicht hat. Und dieser spricht, ohne zu zögern, darüber, was er an ihr bewundert.
Das Geschwistertreffen findet statt, weil Manuel am Mittwoch mit dem FCB für den Cup-Halbfinal zurück auf die Schützenwiese kommt. Sarah wird zuschauen und nicht genau wissen, für wen sie sein soll. «Für den Bruder», das ist logisch. Aber eigentlich braucht der in der Challenge League abstiegsgefährdete FCW den Cupfinal ja dringender als die erfolgsverwöhnten Basler.
Ein angriffiges Interview
Und Sarah Akanji ist inzwischen Teil des FC Winterthur. Jahrelang hat der Club keine Frauen. Stets heisst es: kein Platz, kein Geld, kein Frauenteam. Aber damit mag sie sich nicht zufriedengeben. Also ruft sie beim «Landboten» an und gibt der Lokalzeitung ein recht angriffiges Interview. Titel: «Eine Fussballerin spricht Klartext.»
Sie weiss selbst nicht, ob es an ihrem Gang an die Öffentlichkeit lag. Aber plötzlich war machbar, was zuvor stets als unmöglich gegolten hatte. Der FCW wollte nun doch Fussballerinnen in seinen Reihen. Und mit dieser Unterstützung im Rücken weibelte Akanji dafür, dass die besten Frauen der Region in Winterthur gemeinsam spielen.
Einfach war das nicht. «Es hat extrem viel Energie gebraucht», sagt Sarah Akanji über die vielen Gespräche mit Trainern und Funktionären. Am Ende aber sieht sie sich bestätigt, weil die Spielerinnen die Ersten waren, die sie von ihrem Projekt überzeugen konnte: «Und für sie mache ich das Ganze ja.» 63 Anwärterinnen kamen ins Sichtungstraining, obwohl das Team letzten Sommer in den Niederungen der 3. Liga starten musste. Minimalziel ist der Aufstieg in die Nationalliga B.
Sarah Akanji wird manchmal gefragt, ob sie das Projekt auf die Beine gestellt habe, um selbst wieder in der NLA spielen zu können, wo sie bei St. Gallen von Hüft- und Knie-Operationen ausgebremst worden ist. Aber um ihre Karriere geht es nicht mehr. Sie will «Wegbereiterin» sein: «Damit junge Spielerinnen die Chance auf Spitzenfussball haben.»
«Das bewundere ich an ihr: Sie hat nie aufgegeben, ist immer drangeblieben und hat ihren Traum verwirklicht.»
Eine Chance, die sie selbst bloss per Zufall erhält, mit 18, als sie schon denkt: «Du bist zu alt, du hättest von Anfang an gefördert werden müssen.» Denn sie hat ja bei Manuel gesehen, wie es geht. Der ist dem Vater auf den Fussballplatz des FC Wiesendangen gefolgt, mit elf wird er von Winterthur entdeckt. «Und dann», sagt er, «bin ich einfach immer weitergekommen.» Nachwuchs, Challenge League, alles gradlinig – bis 2015 mit 19 der Wechsel zum FCB folgt und dort nun der Aufstieg zum Stammspieler.
Wobei es Manuel Akanji einfacher klingen lässt, als es tatsächlich war. Denn natürlich braucht es für seinen Weg viel Talent und noch mehr Biss. Natürlich hat er hart an sich gearbeitet, damit er Rückschläge wegstecken kann wie diesen Elfmeter, den er in seinem zweiten Auftritt der Saison gegen Lausanne verschuldet – und auf den er reagiert, indem er später selbst ein Tor erzielt.
Und doch – als talentierter Junge findet er ein System vor, das ihn zu seinem Ziel begleitet. «Manu hat schon als Kind immer gesagt, dass er Fussballprofi werden will», sagt Sarah und lächelt. Für sie, die erst durch ihn zum Fussball kommt, ist der Pfad steiniger. Erst ist sie unter lauter Buben, dann spielt sie mit viel älteren Mädchen, schliesslich ist sie wieder in einer Bubenmannschaft.
«Er strahlt eine Ruhe aus, die macht, dass man gerne bei ihm ist. Schön, hat er sie trotz seiner Karriere nicht verloren.»
Dass dieser Weg nicht ideal ist, wenn frau als Fussballerin weiterkommen will, ist ihr erst später klar geworden. Darum hat sie so viel Energie in das Projekt «FCW-Frauen» gesteckt, bis es Tatsache geworden ist. Es ist diese Beharrlichkeit, die Manuel Akanji an seiner Schwester bewundert: «Sie hat nie aufgegeben, ist immer drangeblieben und hat ihren Traum verwirklicht.»
Und sie? Sagt, dass sie an Manuel «seine positive Art» schätzt: «Er strahlt eine Ruhe aus, die macht, dass man gerne bei ihm ist. Es ist schön, dass er sie trotz seiner Karriere nicht verloren hat.» Vielleicht hat sie ihm ja ein klein wenig dabei geholfen, diesen Wesenszug zu trainieren. Daheim, wo sie «energiegeladener» war und er «der Ruhigere». So leitet sie ihre Abwehr auf dem Feld gerne aktiv, während Manuel auf grosse Gesten verzichtet. Irgendwie logisch, dieser Unterschied. «Ich rede ganz allgemein mehr als Manuel», sagt sie. «Und ich höre lieber zu», pflichtet er bei.
Der wachsende Akanji-Fanclub
Doch auch wenn sich Manuel Akanji selbst fragt, ob er dereinst «noch der grosse Dirigent» wird, startet er beim FCB derzeit so richtig durch. Erst in diesem Frühjahr ist er von einem Kreuzbandriss zurückgekehrt. Und schon hat er sich in der Startformation festgesetzt; mit seiner Geschwindigkeit, Spielintelligenz und der Lust, den ersten Pass aus der Abwehr heraus zu spielen.
Und mit jedem guten Spiel ihres Bruders erhält Sarah Akanji positive Rückmeldungen: «Gerade von meinen neuen Mitspielerinnen kommen immer mehr und sagen: Hey, ich bin ein wenig Fan deines Bruders! Das ehrt mich schon.» Am Mittwoch könnte der Akanji-Fanclub weiter wachsen.
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